Glasofenanlagen und ihre funktionale Einordnung
Klaus A.E. Weber
Streng geregelter Anlagenbau
Zur Frage, wie - bei bislang fehlenden archäologischen Grabungen - die Betriebsanlagen mittelalterlicher Glasschmelzöfen im Umfeld des Hellentals ausgesehen haben könnten, kann ein vergleichender Bezug genommen werden auf die Grabungsuntersuchungen hochmittelalterlicher Waldglashütten als Mehrofenanlagen im Tal der Holzminde im Glaserzeugungskreis Solling.⦋2⦌[4][5][7]
Es ergeben sich im Hinblick auf den Aufbau und Grundriss der hochmittelalterlichen Waldglashütten der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts folgende übereinstimmende bauliche Kriterien für die streng geregelt auf engem Raum platzierten Schmelz- und Nebenöfen:
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rechteckig-gestreckter Hauptschmelzofen mit parallel angeordneten, erhöhten Hafenbänken (Länge ca. 1,2 m)
- Ofen zur Herstellung der Fritte
- Streckofen für die Flachglasherstellung
- Kühlofen
- Nebenöfen (kleinere Hilfsöfen) zur Zubereitung von Farbpigmenten bzw. für metallurgisches Arbeiten (Länge ca. 0,8 m) - Vor-Ort-Aufbereitung metallischer Flussmittel, wie Blei- und/oder Kupferoxid
- Haupt- und Nebenöfen sind radial um eine durch Sollingsandsteinplatten befestigte Arbeitsfläche angeordnet
- Feuer- wie Schüröffnungen sind nach innen auf die zentrale Arbeitfläche ausgerichtet
Im Gegensatz zu den Metallurgen, die bei ihrer Gewinnung und Verarbeitung von Metallen Holzkohle einsetzten, befeuerten die Glasmacher ihre Öfen grundsätzlich mit (Buchen-)Holz.
Haupthütten und Nebenhütten
Funktionale Einordnung zur Diskussion: Ein-Ofen-Anlage und Mehr-Ofen-Anlage [1][12]
„Bislang ist es im Weserbergland trotz durchaus einleuchtender diesbezüglicher Überlegungen noch nicht mit letzter Sicherheit gelungen, den Produktionskreis einer Haupthütte und ihrer Nebenhütten mit hinreichender Gewissheit festzuschreiben und exakt zu lokalisieren.“[3]
Im Solling gibt es „eine große Anzahl von sogenannten Einofenanlagen, also Glashütten, die lediglich einen Glasofen aufweisen.
Sie können eigentlich nur zur Produktion von Rohglas, bzw. Fritte gedient haben, nicht aber zur Herstellung fertiger Glaswaren“.[11]
Glashistorisch interessant ist der bei Geländeprospektionen anhand von Oberflächenbefunden greifbar gewordene mittelalterliche Komplex dreier relativ nahe zu einander linear positioniert liegender Waldglashütten im Umfeld des Hellentals:
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Glashütte „Am Steinbeckshai“
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Glashütte „An der Köhlerrinne I“
- Glashütte „An der Köhlerrinne II“
Vermutet man einen engen zeitlichen Betriebszusammenhangs dieses „Glashüttentrios“, so könnten nacheinander oder miteinander auf einer Strecke von 380 m zwei Glas erzeugende wie zugleich auch verarbeitende Mehr-Ofen-Anlagen bestanden haben, gefolgt von einer 140 m weiter betriebenen Ein-Ofen-Anlage als Nebenofen zur nächst benachbarten Mehr-Ofen-Anlage als Haupthütte.
Eine arbeitsteilige Trennung der
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Herstellung von Fritte bzw. Rohglas (zur Herstellung der Fritte bei Kaliumgläsern wurden Temperaturen von ca. 900–1.000° C benötigt)
- Weiterverarbeitung zu Fertigprodukten
wäre hier zunächst zu diskutieren.
Anhand der dichten Nachbarschaftslage könnte nach STEPHAN [3] mindestens eine Haupthütte und mehrere Ein-Ofen-Anlagen des 13. Jahrhunderts vermutet werden.
Nach STEPHAN ⦋6⦌ fertigten die Glasmacher hier zweifellos Glas, keine Fritte.
Indes erfolgten (bislang) keine Grabungen, mit denen man die diese Vermutung hätte überprüfen könnte.
Kritisch merkt STEPHAN [6] an, dass es im Weserbergland, trotz teils einleuchtender Überlegungen, noch nicht sicher gelungen sei, den Produktionskreis einer Haupthütte mit zugehörigen Nebenhütten gesichert festzuschreiben.
Gemäß seiner Darstellung wurde im Werra-Weser-Leine-Bergland während des 13./14. Jahrhunderts in den Ein-Ofen-Anlagen überwiegend kein Rohglas, sondern ein Vorprodukt erschmolzen.
Buntsandsteine zum Glasofenbau
Wie zahlreich vorgefundene, mehr oder minder intensiv feuergerötete Sandsteinfragmente an den Betriebsstätten der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Glashütten im Umfeld des Hellentals nahelegen, bestand ehemals das Mauerwerk der Glasofenanlagen aus örtlich anstehendem Buntsandstein (Sollingsandstein).
Mittelalterliche Waldglashütte
Dasseler Mittelberg │ Mai 2010
© Historisches Museum Hellental, Foto: Klaus A.E. Weber
Nach REDDERSEN ist anlässlich des „Steinbrechens am Dasselschen Mittelberge“ im Jahr 1744 ausgeführt worden, dass dies dem Glasmeister Ruhländer gestatten worden sei, „welcher die bei dem Silberborn am Moosberge errichtete Königliche Glashütte in Pacht hatte“.[9]
1744 wird neben dem Steinbrüch „Am Dasseler Mittelberg“ auch ein Steinbruch „An der Appelshütte“ als „in Betrieb" erwähnt.[10]
Glashäfen
Im DBU-Forschungsbericht [8] wird summarisch dargelegt, dass Häfen als Glasschmelzgefäße „das bei weitem häufigste und zudem das besonders prägnante, unverwechselbare keramische Fundmaterial auf allen mittelalterlichen Glashütten“ dar stellen und zugleich typisch sind „für Haupthütten, in denen Glas geschmolzen und zu Endprodukten verarbeitet wurde“.
STEPHAN ⦋6⦌ verfolgt er den Ansatz: Glasmacher haben Häfen nur dann verwendet, wenn sie Glas herstellten.
Die bei mittelalterlichen Waldglashütten im Umfeld des Hellentals verwendeten Glasschmelzhäfen lassen sich anhand von Einzelfragmenten grob differenzieren hinsichtlich ihrer
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Ränder/Mündung
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Standbodenpartien
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Wandungsform und Wandstärke
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Größe/Volumina
- Beschaffenheit des Scherbens.
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[1] STEPHAN 2022b, S. 61-62: STEPHAN 2020, S. 125-140; STEPHAN 2010, S. 136.
⦋2⦌ KRAMER 2018d, S. 12-15.
⦋3⦌ STEPHAN 2020, S. 126.
[4] STEPHAN 2017a, S. 8-16.
[5] STEPHAN 2017b, S. 11.
⦋6⦌ STEPHAN 2020, S. 133-134.
[7] DBU 2018.
[8] DBU 2018, S. 82.
[9] REDDERSEN 1934, S. 113.
[10] REDDERSEN 1934, S. 118.
[11] DBU 2018, S. 188.
[12] STEPHAN 2022b, S. 64 Abb. 17.