"Heiße Öfen" im 12./13. Jahrhundert

Klaus A.E. Weber

 

Das Hellental im Solling - Raum historischer Glasherstellung im Mittelalter

 

© Historisches Museum Hellental, Foto: Mechthild Ziemer

 

Boden- und Wandungsscherben von Glasschmelzgefäßen aus Ton (Glashäfen)

Die Qualität des Hafentons und seiner Verarbeitung sind entscheidende Faktoren für die Dauer der Verwendbarkeit der Glashäfen, die hohen Temperaturschwankungen ausgesetzt waren.

Der Glasschmelzhafen ist der wichtigste technische Gegenstand bei der Herstellung von Holzascheglas.

Bodenfunde legen die Verwendung metallischer Rohstoffe bei der Erzeugung von Holzasche-Blei-Glas nahe:

  • Blei/Bleioxid und Kupfer/Kupferoxid

 

Glastechnische Funde

aus dem Bodenarchiv mittelalterlicher Waldglashütten im Umfeld des Hellentals im Solling

 

∎ Boden- und Wandungsscherben von Schmelzhäfen

  • hellgrau gebrannte, freihändig geformte Feuerfestkeramik

  • unterschiedliche Wandungsstärke

  • unterschiedliche Nutzungsdauer

  • teils mit weißlich-grauen bleihaltigen Belägen (Materialreste aus der Bleiglasschmelze?)
  • Korrosionsspuren infolge aggressiver Schmelzmasse (Einsatz metallischer Rohmaterialien wie Bleioxid)

 

∎ Schwerer grauer oxidierter Bleifladen

  • vermutlich vorgesehen für die Herstellung hochwertiger farbiger Bleigläser in der Waldglashütte "Zum Winkel" │ Mitte 12. bis Anfang 13. Jahrhundert

 

∎ Ofenbestandteile

  • durch Feuerungshitze stark versindertes und verglastes Ofenmaterial

  • verziegelter Ofenlehm

  • Ofenbruchstücke mit geborstenen, krakelierten Oberflächen

 

∎ Sollingsandsteine

  • teils behauene und durch Feuerungshitze gerötete Buntsandsteine

  • Fragment einer Marbelplatte aus Solling-Buntsandstein

 

∎ Spinnwirtel - Alltagsgegenstand der Waldglashütte „Bremer Wiese

Kulturgeschichtlich belegt der Bodenfund zweier Spinnwirtel aus Ton den Gebrauch frei hängend betriebener Handspindeln für die Fadenzwirnung aus dem Fasergut zur Webvorbereitung auf der mittelalterlichen Glashütte „Bremer Wiese“ um 1200.

Die stufig abgedrehten keramischen Spinnwirtel doppelkonischer Grundform gewähren einen alltagsgeschichtlichen Einblick in die soziale Gruppe hoch- bis spätmittelalterlicher Glasmacherfamilien in dem abgelegenen Sollingtal.

Handspindeln bestehen aus einem hölzernen Spindelstab mit dem geformten Spinnwirtel als sich frei um die eigene Achse drehendes Kreiselgewicht.

 

∎ Bodenfunde der Waldglashütte „Am Wiegelweg [1]

Mehrofenanlage der hochmittelalterlichen Waldglashütte „Am Wiegelweg“ im Nordwestsolling, die insbesondere der Herstellung hochwertiger romanischer Bleigläser in der Zeit um 1100-1150 diente.

Hochmittelalterliche Fundstücke von der Grabungsstelle - technische Ofenrelikte:

  • Fragmente verglaster Ofensteine und Bruchkanten; Glashafenfragment

  • Fragment eines kleinen, dünnwandigen Glasschmelzhafens mit einbiegender Mündung

  • Gefäßfragment mit smaragdgrünem Materialrest aus der Bleioxidglasschmelze

  • Kleines Gefäßfragment mit smaragdgrünem Materialrest aus der Bleioxidglasschmelze

 

∎ Bodenfund der Waldglashütte „Am Steinbeckshai

  • Bruchstück aus keramischer Sintermasse und Buntsandsteinen des Feuerungskanals eines Glasofens der Waldglashütte „Am Steinbeckshai“ im Umfeld des Hellentals im 12./13. Jahrhundert

 

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[1] Bodenfunde, überlassen von Radoslaw Myszka, Archäologe │ Göttingen 2018-12.