Die Moorhütte im Hochsolling │ 1799-1829
Klaus A.E. Weber
Probeglashütte auf dem Mecklenbruch
LGLN: Moorhütte [8]
Um die gestiegene Glasnachfrage zu befriedigen, wäre eine Verlängerung der jährlichen Arbeitszeit in den "Sollinghütten" erforderlich gewesen, was wiederum einen größeren Holzkonsum bedingt hätte.
Daher wurde 1799 als Alternative dazu übergegangen, "Versuche über die Verwertbarkeit des Torfes zur Glasschmelze anzustellen, der sich in dem 1 1/2 Stunden von Pilgrim entfernten und wegen seiner Entlegenheit bisher unbenutzten Torfmoore auf dem Mecklenbruche in großer Menge vorfand".[7]
Auf Torffeuerung basierende Glashüttenbetriebe gab es bereits in Mecklenburg, wo 1747 die erste mecklenburgische Torfglashütte entstand und bis 1778 betrieben wurde.[11]
Die Versuche auf dem Mecklenbruch führten 1799 zur Anlage einer Probeglashütte.
Die weit im Solling abgelegene Torfhütte wurde nach Braunschweigisch-Neuhaus eingemeindet und nach Altendorf bei Holzminden eingepfarrt.
Anlage der grenznahen Schorborner Torfhütte
Die aus Gründen einer zunehmenden Holzverknappung im braunschweigischen Solling am Hochmoor Mecklenbruch ("Ekerkenbruch") von Georg Christoph Seebaß (1734-1806), dem Pächter der Schorborner Glashütte, errichtete dritte Filialglashütte - die Torfhütte "auf dem Mecklenbruch" - nahm ab 1799 ihre Glasherstellung auf.
Der Hüttengründung beruhte auf der Überlegung, mit Hilfe von Torf, der in großer Menge auf dem Torfmoor Mecklenbruch "4 bis 12 Fuß tief" verfügbar erschien, energetisch günstig Glas herstellen zu können.
Die Torfhütte gilt als die letzte Glashüttengründung des hier betrachteten glashistorischen Abschnitts im braunschweigischen Solling.
Wie die Glashütte am Pilgrimsteich blieb auch die Moorhütte am Mecklenbruch ohne einen weiteren Siedlungsausbau.
Heute große rechteckige Wiese - Ehemals Glashüttenareal im November 2015
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
1798/1803 - Errichtung "einer festen Hütte"
Unmittelbar am Grenzverlauf (mitten durch das Mecklenbruch) zwischen dem Herzogtum Braunschweig (HB) und dem Königreich Hannover (KH) angelegt, stand die "Moorhütte", zunächst nur als Probeglashütte.
Grenzstein im Hochmoor Mecklenbruch - KH = Königreich Hannover
in der Nähe des ehemaligen Glashüttenstandortes │ Mai 2021
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Unter kritischer Beobachtung der Hannoveraner stehend, führt der Oberförster Germann vom Amt Uslar in seinem Bericht vom 08. Juli 1799 gegenüber der Kammer in Hannover zur Probeglashütte aus:[6]
"... erlauben gnädigst folgendes pflichtschuldigst in Unterthänigkeit vortragen zu dürfen:
Im vorigen Jahr [1798] ist auf Braunschweigischer Seite nahe von der Amts Uslarschen Grenze am sogenannten Ekerkenbruche, auf Rechnung für die Herrschaft [?] eine grüne Glashütte angelegt, welche bloß mit Torf, so auf besagtem Bruche gestochen werde, befeuert werden sollte...
Also verfügte ich mich vor einigen Tagen dahin, um dieses neue Werk wie auch den Torfstich dabei in Augenschein zu nehmen.
Bei dieser Glashütte sind nun weiter keine Gebäude aufgeführt als die Hütte selbst, ein leichter mit Zaunbraken beflochtener Torfschupen ... nebst einigen Köhlerköthen, worin die Glasmacher und Torfstecher sich aufhalten."
Dem von der Kammer in Hannover angeforderten Bericht des Amtes Uslar vom 25. November 1799 ist zu entnehmen:[6]
"... daß die ... Glashütte auf dem Ekerkenbruch keiner besonderen Wohngebäude bedarf, sondern daß letztere [Hüttenarbeiter] zu gelegenen Zeiten vom Mühlenberge dahin gesandt werden und sich während dieser Zeit mit bloßen Köhlerhütten behelfen."
Optimistisch über seinen 1798 versuchsweise am Moor in Betrieb genommenen Probeglasofen gestimmt, hatte Georg Christoph Seebaß an die Fürstliche Kammer berichtet:[5]
"Da diese erste Probe nicht im kleinen, sondern vollkommenen Betriebs mäßig, wie es zu Jedermanns Augenschein und Zeugnis da steht, gemacht ist, indem 9 Glasmacher um den Ofen stehen und arbeiten, so lässt sich mit Gewissheit die Folge machen, daß wenigstens in einer Zeit von drey Menschenaltern es in hiesigen Landen nicht an der Feuerung zur Haltung der Glashütte fehlen wird ..."
Davon aber lies sich die Fürstliche Kammer nicht überzeugen.
Ein Jahr später, 1799, forderte Seebaß im Rahmen der Voranschläge für die Moorhütte u.a. auch:[1]
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Vorrichtung mehrerer Torfschuppen,
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Erlaubnis zum Anbau für einige Fabrikanten gegen Ausweisung freien Bauholzes,
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Gärten und Wiesen in der üblichen Größe,
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Bewilligung von drei Freijahren für deren Urbarmachung,
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Ausweisung und Begrenzung einer Viehweide für die Anbauer,
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Gewährung von Bauvorschüssen
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derselben Freiheiten, welche die Schorborner Hüttenleute genössen,
- Verbot für jeglichen anderen Anbau bei der Hütte mit Ausnahme eines kleinen, durch den Pächter zu erbauenden Kruges.
Aufgrund der erneuten herzoglichen Ablehnung erklärte sich Seebaß 1802 bereit, die Torfhütte unter folgenden Bedingungen auf seine eigenen Kosten zu errichten:
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freies Bauholz
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ausschließliche Verwendung des Torfvorkommens für Zwecke der Glashütte
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Erlaubnis zum Anbau eines Hauses für den Torfvogt, die Arbeiter und die Schreiberei
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Ausweisung von Gärten für die Leute
- Festsetzung einer Betriebsdauer von 24 Jahren.
Da die Glashütte "ein neues und nützliches Werk" darstelle, genehmigte Herzog Carl Wilhelm Ferdinand (1735-1806) mit Verfügung vom 26. März 1803 statt der provisorischen Anlage im Torfmoore:[7]
- die Anlage einer Hütte auf dem Mecklenbruche gegen Bezahlung eines Kaufpreises von 15 Thaler für jeden Morgen Torf zu 120 Quadratruten
- die Erbauung einer Hütte, eines Torfschuppens und einer Fabrikantenwohnung auf Kosten des Pächters und deren Übernahme auf die Kammer bei der Pachtabgabe,
- die Verlängerung der Pacht für die Hütte im Mecklenbruche auf 24 Jahre.
In den Pachtvertrag über die Torfhütte war der älteste Sohn des Pächters, der 1801 zum "Kommissar" ernannte Friedrich Christoph Werner Seebaß (1769-1843) [9], als Mitpächter aufgenommen worden.
Dadurch entstanden nunmehr auf einer gerodeten Fläche von etwa 1,6 ha, durch die der "Rundweg Mecklenbruch" führt, am oberen Rand der heutigen Wiesenfläche die genehmigten Schuppen zum Trocknen des abgebauten Torfs, am hinteren (nördlichen) Wiesenende zwei Wohnhäuser (Fabrikantenwohnungen) und moorseitig das Glashüttengebäude mit den Ofenanlagen.[4]
Die Wasserversorgung erfolgte durch den "Köhnenborn", der damals Quellwasser in ausreichender Menge für die Hüttenbewohner*innen (Trinkwasser), die Glasherstellung (Brauchwasser) und zur Viehtränke lieferte.
Letztlich konnte aber nur ein Teil der beschriebenen Forderungen von Georg Christoph Seebaß (1734-1806) verwirklicht werden.
Am 10. Februar 1806 verstarb er als 72jähriger Hüttenpächter in Schorborm - nach 25jähriger Pacht der Schorborner Glasmanufaktur.
Nach dem Tode seines Vaters übernahm Georg Christoph Seebaß die Leitung der „unter die vorzüglichsten Glashütten Deutschlands zu zählenden Sollinger Glashütten“.[7]
Ehemaliger Standort des Hüttengebäudes im Dezember 2015
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
1802/1803
Die im Amt Allersheim gelegene Filialglashütte wird in der Beschreibung, die „Sr. Herzoglichen Durchlaucht Herrn Karl Wilhelm Ferdinand regierendem Herzoge zu Braunschweig=Lüneburg unterthänigst gewidmet“ ist, geographisch-statistisch von HASSEL/BEGE 1802 [3] und 1803 [2] dargestellt.
1802
„Die Glashütte auf dem Meklenbruche, die Morhütte, nicht weit vom Neuenhause, ist seit 1799 wegen des Torfs auf dem Meklenbruche angelegt, und in diesem Jahre daselbst zuerst grünes Glas verfertigt.
Sie ist im Werden.“
1803
„Die Moorhütte, eine Glashütte auf dem Mekkenbruche, 2 ½ St. [Stunden] von Holzminden, welche wegen des dasigen Torfs seit 1799 angelegt, und worauf in diesem Jahre zuerst grünes Glas verfertigt ist.
Sie ist erst im Entstehen.
Der Mekkenbruch enthält einen vortreflichen Torf, der 1746 entdeckt, aber vor 1797, weil man Holz genug hatte, nicht benutzt wurde.
In diesem Jahre fing man den Torfstich an, und erbauete lurz darauf die Glashütte.
Der Moor enthält 90 Waldm. [Waldmorgen] 40 R. [Quadratruten] [= 300.606,8 m²].
Der Torf steht 4 bis 12 Fuß tief [= 1,14 – 3,42 m].
Die oberen Schichten sind dunkelgelb, und gehen in der Tiefe ins Schwarze über.“
Torfverwertung und Holz-Torfbefeuerung
Für den Glashüttenbetrieb wurde - alternativ zum traditionellen Buchenholz - zunächst ausschließlich Wurzeltorf von den 1739 entdeckten Torflagern am Moosberge verwendet, der ein „sehr gutes Flammenfeuer“ ergab.
Der Befeuerungsversuch mit dem "Ersatzbrennstoff" Torf erbrachte aber nicht den erhofften Erfolg und war letztlich zum Scheitern verurteilt.
Problematisch wurde es, als dem Ofenfeuer Holz beigeben werden musste.
Nach strikter Auflage der Fürstlichen Kammer durfte nur Stukenholz, d.h. Baumstümpfe vom Langenberg bis zum Vogelherd, verwertet werden, was einen immensen Arbeitseinsatz der Glasmacher nach sich zog.
Schließlich musste 1812 das Torfstechen im Mecklenbruch nach einem Verdikt des Königs Jérôme Bonaparte (1784-1860) eingestellt werden.
Das Herzogtum Braunschweig war in jener Zeit Bestandteil des napoleonischen Königreiches Westphalen, das von Jérôme Bonaparte von Kassel aus regiert wurde.
Nachdem 17 ha Torf bereits abgebaut waren, musste die Glashütte ab 1812 zur reinen Holzbefeuerung mit Buchenholz übergehen.
Nach den Angaben des neuen Hüttenpächters Friedrich Christian Wener Seebaß (1769-1843), Sohn von Georg Christoph Seebaß, vom 20. August 1814 "benötigte in 20 Wochen bei gemischtem Holz-Torffeuer" die Torfhütte folgende Holzmenge [5]:
- 60 Klafter 5 füß. "Scheitholz"
- 100 Klafter 3 füß. "Scheitholz"
- 100 Klafter "Schörholz" (Birkenholz)
Das Buchenholz stammte vom
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Langenberg
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Vogelherd
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Hundebruch
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Wildenbuchen
- Eckernbruch.
1829 - Einstellung des Betriebes
Aufgrund des eingetretenen Holzmangels und insbesondere wegen des erfolglosen Experiments die Ofenbefeuerung ersatzweise mittels Torf vorzunehmen, wurde schließlich 1829 die Glasherstellung unter Friedrich Christian Seebaß endgültig eingestellt.
Nachdem bereits 1812 ein Wohnhaus am Moor abgebrochen worden war, wurden ab 1829 alle Hüttengebäude restlos abgetragen.
Hohl- und Flachglaswaren
In der abgelegenen Moorhütte wurden bei relativ gutem Absatz hergestellt:[6]
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Flaschen
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Trinkgläser
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Medizingläser
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"Duftstoff-Bouteillen"
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Tintengläser
- Fensterglas.
Anhand oberflächennahen Funde [10] lässt sich die Herstellung belegen von
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grünem und braunem Hohlglas für Flaschen
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farblosem Hohlglas ("Weißglas")
- farblosen Trinkgläsern mit blauem Lippenrand.
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[1] TACKE 1943, S. 140-141.
[2] HASSEL/BEGE 1803, S. 334-335 (10.).
[3] HASSEL/BEGE 1802, S. 165 (5).
[4] BLIESCHIES 2007, S. 143.
[5] BLIESCHIES 2007, S. 145.
[6] BLIESCHIES 2007, S. 146-147.
[7] BECKER 1927, S. 70-71.
[8] LGLN: Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen │ GeobasisdatenViewer Niedersachsen.
[9] NÄGELER 2013 Ziff. 1251.
[10] Lesefunde bei Begehungen durch Dr. Klaus A.E. Weber und Christel Schulz-Weber │ 2015 und 2016.
[11] WENDT 1977, S. 12-13, 29.