1743 │ Staatlicher Ankauf der Glashütte

Klaus A.E. Weber

 

Die erstmals belegbar 1717 (vermutlich aber bereits um 1715 gegründet) unter dem „Langen Bevern“ Ferdinand Albrecht II. (1680-1735), Herzog des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel, betriebene Hüttenanlage Steinbeke bestand ortsfest fast 30 Jahre.

Die Forstkarte "Geometrischer Grundriss Der Merxhäuser-Forst - Wie selbiger in Anno 1745 aufgenommen worden von Ludwig August Müller" belegt im "Der Zweite Haupt Theil" mit den Forstabteilungen III und IV den Glashüttenwerkweiler durch Gebäudesignaturen und den Namenszug "Hölthal Glas Hütte" kartografisch noch im Jahr 1745.

Da die historischen Hintergründe und Umstände für die Stilllegung, Aufgabe und den Ankauf mit Übergang in den landesherrlichen Besitz der einst großen bürgerlichen Glashütte im Hellental nicht überliefert sind, ist Raum gegeben für mannigfache historisch-politische, soziale oder auch wirtschaftliche Spekulationen.

 

Wirtschaftspolitik und Staatsfinanzen

gewinnen Einfluss auf die Geschichte der fürstlichen Unternehmungen

Die Gründung und der Betrieb von Glashütten war unter der Regierung Carls I. "in erster Linie ein Mittel zur Verwirklichung der merkantilistischen Ideen, die den Fürsten und seine Ratgeber beseelten".[1]

Folgende skizzierten Überlegungen der dramatisch anmutenden Siedlungs- und Wirtschaftsentwicklung im Hellental sind zu diskutieren:

  • Im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel entwickelte sich während der früh angetretenen, langen absolutistischen, aber aufgeklärten und fortschrittlichen Regierungszeit von Herzog Carl I. (reg. 1735-1780) die unbeschränkte Herrschaftsform und die Wirtschaftsordnung des „Merkantilismus“.[13]

  • Der in diesem Zusammenhang eingeleiteten, größten wirtschaftspolitischen Offensive mit Konzentration von Fiskalbetrieben auf engem Gebiet ist möglicherweise auch die abgelegene, private Steinbecker Glashütte zum Opfer gefallen.

  • Herzog Carl I. hatte offenbar kein staatlich-unternehmerisches Interesse daran, die Glashüttenanlage im Hellental weiter zu betreiben.

  • Der ab 1735 regierende Herzog Carl I.soll versucht haben, die Steinbeker Hüttenbelegschaft ("Gundelachsen Hütten Laboranten") durch Gewährung sozialer Vorteile, wie die Errichtung ortsfester "Laborantenhäuser" (Fabrikantenhäuser = Glasmacherwohnungen), dauerhafte Ansiedlung und die Bestätigung ihrer alten Glasmachervorrechte, für das Betreiben der neuen Fürstlichen Glasmanufactur am Schorborner Teich zu gewinnen; 1745 wurden die ersten Glasmacherhäuser auf Staatskosten errichtet.[45]

  • Möglicherweise erfolgte in der Glashütte Steinbeke eine nicht mehr marktgerechte, unzeitgemäße Glaswarenproduktion, die den neuen merkantilistischen Binnenmarkt nicht befriedigen konnte und daher der Produktionsstandort Hellental wirtschaftlich uninteressant wurde.

Es kann in Erwägung gezogen werden, dass die Kaltlegung und völlige Aufgabe der Hellentaler Glashütte möglicherweise erfolgte durch

  • betriebslogistischen Ressourcenmangel (nachlassende Holzgewinnung)
  • konjukturelle Veränderungen (mangelnde Absatzlage für Hohlgläser der Hütte)
  • merkantilistisches Betreiben des Braunschweiger Herzogs Carl I. zur "Beförderung des commerce".

Es war eine eher unternehmerisch-strategische Entscheidung des Landesherren gegen die Hellentaler Glashütte zu Gunsten einer Glashüttengründung 1744 in Schorborn [4], 1744 bei Holzen am Ith und 1744/1745 in Grünenplan in der Hilsmulde ("Fürstliche Spiegelhütte auf dem Grünen Plan") - gezielt verbunden mit der Herstellung qualitativ höherwertiger Glasprodukte.

 

Immenser Holzverbrauch

Am ehesten holzwirtschaftlich bedingt, wurde nach rund drei Jahrzehnte währendem Betrieb die Glashütte für immer stillgelegt.

Die Glashütte dürfte wegen ihres enormen Holzbedarfes an ökologische Grenzen gestoßen sein, denn einer alten Dorfbeschreibung [47] ist zu entnehmen, dass die „angelegte Glashütte“ wegen Holzmangel eingegangen und danach vom "Cammerrathe Ziesich" eine Glashütte am „Schorbornsteich“ [14] angelegt worden sei.

Der Holzverbrauch der Glashütte muss nämlich immens gewesen sein, was eine Forstbeschreibung (Forstamt Schießhaus) aus dem Jahr 1727 nahe legt:[33]

  • Das Merxhäuser Buchholtz aber ist bis auff den letzten Rest zu der Glashütten bereits abgetrieben. Vom Wildstall bis vorn Kollenberg wird vorgeschlagen, diesen Ort gegen Bezahlung zu der Hellenthaler Glaß Hütte zuzuziehen, maßen der Glaßmeister Gundelach sich erbietet, das Holz malterweise zu bezahlen.

 

Kaltlegung und Ankauf

Kaufpreis 1.500 Reichstaler

Die Stilllegung der Steinbeker Glashütte im Hellental ereignete sich zu jener Wirtschaftsphase im Herzogtum Braunschweig, in der alte private Wanderglashütten im Solling durch staatliche ortsfeste Hütten ersetzt und feste Arbeitersiedlungen angelegt wurden.

Im Jahr 1743 - als der herzogliche Kammerrat Thomas Ziesich auch für fiskalische Hüttengründungen im Braunschweiger Teil des Sollings zuständig war - erwarb der Braunschweiger Staat Anlageteile und Materialien der Glashütte und verlegte sie an den rund 5 km entfernten "Schorbornsteich" im Nordsolling.[2][5]

Hier wurde 1744 durch das merkantilistisch-unternehmerische Betreiben des Herzogs Carl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel (1713-1780) [34] die landesherrliche Glasmanufaktur Schorborn, die „Fürstlich-Braunschweigisch-Lüneburgische Hohl- und Tafelglashütte“, mit fester Werkssiedlung errichtet.[35]

Im Mai 1743 wird ein "Herr Verwalter Procis" in Steinbeke genannt, was als Wechsel in der Glashüttenverwaltung und die Übernahme des Betriebes in staatliche Leitung unter Herzog Carl I. gedeutet werden kann.[9]

Archivalisch bekannt ist [10], dass die Hüttenanlage und noch brauchbare Materialien 1743 an das Herzogtum Braunschweig gegen die Entrichtung des stattlichen Kaufpreises von 1.500 Reichstalern abgetreten wurde: „Glashütte in Hellenthal … vor einigen Jahren … für 1500 Reichsthaler … an den Herzog verkauft ...“.

Zum Wertvergleich:

1774 wurde der Wert der gesamten Schorborner Glasmanufactur einschließlich Nebengebäude und Zubehör auf 1.797 Reichstaler geschätzt.[11]

Nach BLOSS [12] sei die „letzte Wanderglashütte des braunschweigischen Sollings“ erst 1744 eingestellt und zur Gründung zweier staatlicher Glashütten - einer "feinen und einer gemeinen" unter einem Dach - an den Schorbornsteich verlegt worden.

Denn bis Mitte März 1744 wurde der Glasofen "im Hellenthal" schließlich noch "für Ihro Hochfürstl. Durchlaucht Rechnung geführt" und anschließend die Glasproduktion am Schorbornsteich mit "Hellenthaler Fabrikanten" und deren mitgebrachten Hüttenequipment (Materialien uind Geräte) aufgenommen.

Ab 1748 findet sich im Kirchenbuch Heinade die Ortsbezeichnung "alte Hütte".

 

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[1] BECKER 1927, S. 83 Schlussbetrachtung,

[2] RAULS 1974, S. 120.

[4] KUNZE 2000.  

[5] RAULS 1983, S. 316.

[9] BLOSS 1977, S. 73; BLOSS 1950.

[10] OHLMS 2006; BRODHAGE/MÜLLER 1996; SCHOPPE 1989; LESSMANN 1984; LILGE o. J.; BLOSS 1950a, 1961.

[11] BLOSS 1950a, S. 17.

[33] zit. in BLOSS 1977, S. 116.

[34] aus der Linie Braunschweig-Bevern; übernahm 1735 die Regierung des Herzogtums Braunschweig und Lüneburg; JARCK 2006, S. 391-392. Unter dem zentralen Motto „Carl 300“ wurde 2013 im alten Braunschweiger Land der 300. Geburtstag von Carl. I., Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel, mit einem umfassenden Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm gewürdigt.

[35] OHLMS 2006; NÄGELER/WEBER 2005, S. 293-297; NÄGELER/WEBER 2004; BLOSS, 1977, S. 116-119; TACKE 1943, S. 92-97.

[45] OHLMS 2006;  SCHOPPE 1989; RAULS 1983; TACKE 1969; BLOSS 1961.