Glashütte "Bremer Wiese"

Klaus A.E. Weber

 

{HtGM 2-1}

280 m üNN

spätes 12. Jahrhundert │ um 1170

Zeitalter der Romanik

 

Lage

Koordinaten der Fundstelle und eingemessene GPS-Daten:

  • GPS-Einmessung - R: i.M. 35 42 210 │ H: i.M. 57 41 770

  • NLD/Archäologie FStK - R: 35 42 215 │ H: 57 41 775

Bremer Wiese

  • Forstabteilung: 46 VII Merxhausen
  • Forstamt Neuhaus
  • DGK 5 Nr. 4123 – 35 Süßbornwiesen

 

Nach STEPHAN [3]: 77 - um 1200

"In der Bremer Wiese 200 m oberhalb des Dorfes Hellental liegt auf Ackerland 30 m nördlich der Helle in 280 m NN ein früher Glashüttenstandort.

Die Öfen sind völlig eingeebnet, der engere Arbeitsbereich (die Werkhalle?) zeichnet sich als ungefähr 45 mal 16 m große dunkle Verfärbung ab.

Neben den üblichen ofentechnischen Relikten kommen Hafenscherben, Glastropfen, Fritte und Glasschmelze vor.

Eine kleine Gießschale und auffallend kleine z. T. ungewöhnlich dünnwandige Häfen von nur 19 cm Höhe und 26 cm Durchmesser sowie gelbe und graue Irdenware sichern die Datierung um 1200."

 

Fundstellen-Nummer

  • HtGM 2-1

 

Archäologische Datierung

  • Zeit um 1170 [2]

  • spätes 12. Jahrhundert

 

Fundumstand

  • eingeebnetes Grünland, Freilegung durch ackerbauliche Umnutzung im Jahr 2004
  • prospektiert

 

Ausdehnung

  • auf einer Bachterassse, einem begradigten natürlichen Plateau, zeichnet sich ein engerer Arbeitsbereich als ca. 45 x 16 Meter große dunkle Verfärbung ab

  • abgrenzbare Fläche mit eher lockerer Fundstreuung: Länge von ca. 3,80 Meter in linearer Südwest-Nordost-Ausrichtung, Breite von ca. 1,40 Meter

 

Zustand

  • überpflügt, zerstört/eingeebnet
  • nach Nutzung als Ackerland wieder unter Wiese liegend

  • frei von Bäumen und Sträuchern

Vermutlich durch Erosionsvorgänge wurde der Hüttenplatz überdeckt und die Betriebsanlage durch ihre exponierte Lage direkt am Westufer des Helle-Baches mit wechselndem Wasserlauf weitgehend zerstört.

 

Befunde/Interpretation

Haupthütte [2]

Waldglashütte im Zeitalter der späten Romanik

  • Lage direkt am Bachlauf auf einer begradigten Ackerfläche ca. 190 Meter südwestlich des Ortsausgangs von Hellental (09/2006)
  • Bereich mit vormals extensiver landwirtschaftlicher Nutzung als Wiesengelände; 2004 Freilegung durch ackerbauliche Umnutzung, zunächst als Kartoffelfeld.

 

Funddokumentation

  • Von dieser mittelalterlichen Waldglashütte sind bislang keine Schriftquellen bekannt.
  • Finder: September 2004 Dr. Klaus A.E. Weber (Hellental) [4]
  • kontrolliert am 14. Oktober 2004 durch Dr. Christian Leiber, Archäologische Denkmalpflege Landkreis Holzminden (Kreisarchäologie)

NLD – Archäologie FStK (27. März 2007)

Letzte Bearbeitung im NLD durch Wulf 03/2007:

1) Lage, Name: Am südöstl. Hangfuß des Kleinen Hellentaler Berges in der Bachniederung ca. 30 m nördl. der Helle bei ca. + 280 m N.N. (Wulf 03/2007)

2) Denkmalbeschreibung: Glashüttenplatz (Wulf 03/2007)

3) Entdeckung: FM: Chr. Leiber, Holzminden, FV: Ldkr. Holzminden (Wulf 03/2007)

4) Datierung: Mittelalterliche Glashütte (Wulf 03/2007)

7) Bewuchs/Nutzung: Grünland (Wulf 03/2007)

 

© Historisches Museum Hellental, Grafik: Klaus A.E. Weber

 

Fundumstände

Der bei einem Grünlandumbruch zur Ackerlandgewinnung entdeckte, völlig eingeebnete Glashüttenplatz liegt südwestlich von Hellental in einer Bachniederung, oberhalb einer kleinen Terrassenkante der Helle.

Geländebegehungen erbrachten auf einer sich von der sonstigen Ackerfläche dunkel absetzenden Fläche – die als zentraler Werkbereich einer möglichen Dreiofen-Anlage angesprochen werden kann - eine Fundstreuung verschiedener Produktionsrelikte.

Diese umfassen neben zahlreichen Holzkohlestückchen und weißen Sandkonglomeraten als technische Keramik kleine mit grüner Glasschmelze überzogene Bruchstücke, unterschiedlich wandstarke graue Hafenfragmente, feuerverziegelten Lehm und brandgerötete Sollingsandsteine.

Oberflächennahe Bodenfunde legen einen Aufbau der Öfen aus lokalen Bruchsteinen (Sollingsandstein) und Lehm nahe.

Es war im Oktober 2004 insbesondere durch das neuerliche Auffinden von Glasproduktionsstreufunden bzw. technischer Keramik sowie von Scherben gelbtoniger und grauer Irdenwaredavon davon auszugehen, dass zwischen dem Wiesenweg und dem Bachlauf der Helle auf der flachen „Bremer Wiese“ ein Glashüttenstandort als Wüstung besteht, der dann anhand mehrfach geborgener Keramik archäologisch in das späte 12. Jahrhundert (um 1170) datiert werden konnte.

Von dieser hoch- bis spätmittelalterlichen Waldglashütte sind keine archivalischen Quellen bekannt geworden.

 

Mittelalterliche Waldglashütte

"Bremer Wiese"

spätes 12. Jahrhundert

Der durch Ackerlandgewinnung

entdeckte Glashüttenstandort

mit richtungsweisender,

schwärzlicher Bodenverfärbung

September 2007

© Historisches Museum Hellental, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Wie immer, eine Vorgeschichte

Wie von älteren Bewohnern aus Hellental zu erfahren war, sei in früheren Generationen immer wieder von einer Glashütte auf auf der Flurstelle "Bremer Wiese" berichtet worden.

Auch seien in der Vergangenheit dort, wie auch weiter südwestlich, bereits öfter mit Glasschmelze überzogene Materialien („bunte Steine“) bei der Bewirtschaftung der hintereinander gereihten Flure vorgefunden worden, die allerdings als bedeutungslos eingeschätzt, weder dokumentiert noch archiviert wurden.

Standortnah zwischen dem Bachlauf der Helle und der Abbruchkante des Glashüttenareals führte der frühere Wirtschaftsweg durch das Hellental.

Des Weiteren wurde darauf hingewiesen, dass standortnah zwischen dem Bachlauf der Helle und der Abbruchkante des Glashüttenareals der frühere Wirtschaftsweg durch das Hellental führte.

 

Wenn Grünland umgebrochen und im Acker gepflügt wird

Ende September 2004 wurde die HGV-Arbeitsgruppe Hellental über vermutete „Glasfunde“ informiert, die oberflächennah auf einem zum Kartoffelanbau neu angelegten Ackergelände von dessen Besitzer, dem Nebenerwerbslandwirt aus Hellental gefunden wurden.

Das Areal war zuvor über etwa 18 Jahre ausschließlich als Wiese extensiv landwirtschaftlich genutzt worden.

Das eingeebnete natürliche Plateau liegt etwa 190 m vom südwestlichen Dorfausgang (Friedhof) entfernt, zwischen dem westlichen Fahrweg („Wiesenweg“) und dem mit auffallend großen Buntsandsteinen gesäumten, flachen Bachbett der Helle (östlich), oberhalb einer deutlichen Geländeabbruchkante zur Helle hin.

Diese kleine Flur wird nach Angaben des Hellentaler Eigentümers der Ackerfläche als „Bremer Wiese“ bezeichnet.

Daher trägt der entdecke Glashüttenstandort die arbeitstechnische Bezeichnung „Glashütte Bremer Wiese“.

Die seit Anfang Oktober 2004 von Dr. Klaus A.E. Weber (Hellental) und Christel Schulz-Weber (Hellental) fortgeführten Geländeprospektionen erbrachten eine Streuung von Relikten der Glashütte auf einer deutlich umschriebenen, sich von der Umgebung absetzend schwärzlich verfärbten, oval förmigen Fläche von etwa 45 x 16 Metern am östlichen Ackerrandstreifen:

  • kleine mit grüner Glasschmelze überzogene Materialreste, u. a. Bruchstücke unterschiedlicher Glasschmelztiegel (Häfen) mit Glasschmelzresten und Ofenbauteile

  • Vielzahl kleinerer verziegelter bzw. stark geröteter Lehmbruchstücke

  • Fundcluster von kleinen hell- bis dunkelgrün, hell- bis dunkelblau und opak rot-braun gefärbte Glastropfen

  • kleinere Holzkohlenstücke

  • zahlreiche hellgelbe und hell- bis dunkelgraue Fragmente von gebrauchskeramischen Gefäßen.

Eine Fundkonzentration bestand auf einem kleinen, nur wenig erhöhten Areal von etwa 5 x 3 Metern.

Hierzu ist anzumerken, dass im 11./12. Jahrhundert errichtete Glasöfen aus arbeitstechnischen Gründen möglichst eng beieinander lagen und eine Fläche von etwa 10 x 7 Metern eingenommen haben.[2]

Bei weiteren Geländebegehungen zwischen 2004 und 2010 wurden weitere schwarze bis hin graue Glashafenfragmente gefunden.

Glashistorisch besonders spektakulär war 2005 die Bergung zweier hellgrauer leicht verzogener, konischer Hafentonscherben.

Die größere Hafenscherbe bestand aus dem Standboden und schrägem Wandungsansatz mit Abschlusskante sowie korrosiven Vertiefungen mit erstarrtem bläulich-grünem Glasfluss; das zweite passgenaue Hafenfragment entsprach der konischen Wandung des Glashafens.

Der archäologisch rekonstruierte Durchmesser des kleinen mittelalterlichen Glasschmelzgefäßes beträgt ca. 20 cm.

Im September 2006 gelang in einer Restaurierungswerkstatt für Keramik [6] die fachgerechte Rekonstruktion des kleinen, leicht asymmetrisch verformten hellgrauen Glasschmelztiegels.

 

⊚ Zum Anklicken

Mittelalterliche Waldglashütte

"Bremer Wiese"

spätes 12. Jahrhundert

Kleiner, dünnwandiger Glashafen

mit Glasrückständen

restauriert und ergänzt [6]

© Foto: Keramik Restaurierung Lüdtke

 

Am 14. Oktober 2004 wurde schließlich das etwa 1.100 m² große Flurstück gemeinsam mit dem Kommunalarchäologen Dr. Christian Leiber (Archäologische Denkmalpflege, Landkreis Holzminden) bei einer Kontrollbegehung untersucht, wobei erneut zahlreiche Streufunde aufgesammelt wurden.

Die für die zeitliche Einordnung des Glashüttenstandortes wesentlichen Keramikscherben konnten dabei erstmals gefunden werden mit einer archäologischen Datierung um 1200:

  • hellgelbe und graue Wandungsscherben und fast steinzeugartige Wandungsscherben.

Eine erneute Geländeprospektion am 23. Oktober 2004 erbrachte ein aus Hafenton geformtes, flachovales Ofenschalenfragment mit leicht hochgezogenem Rand; vermutlich angebracht neben einer Arbeitsöffnung an der Wandung eines Arbeitsofens.

Danach erfolgende Surveys erbrachten weitere Glasherstellungsfunde, zudem kleinere Holzkohlenreste, mehrere verziegelte Lehmbruchstücke und wenige Scherben von Gebrauchskeramik in dem umschriebenen, deutlich gegenüber der Umgebung dunkel verfärbten Flurbereich sowie auch darüber hinaus in östlicher Richtung mit abnehmender Funddichte infolge artifizieller Verfrachtungen durch landwirtschaftliche Veränderungen des Oberbodens (Pflügen, Eggen).

Nach einer orientierenden Vorprospektion erfolgte am 18. September 2005 - ein Tag nach dem herbstlichen Pflügen des Ackergeländes - von Dr. Klaus A.E. Weber und Christel Schulz-Weber eine erneute intensive Prospektion des aktuell umgepflügten Oberbodens.

Dabei war ein durch die Pflugscharen aufgeworfener, farblich deutlich hellerer umschriebener Horizont parallel zur längs verlaufenden letzten östlichen Ackerfurche (ca. 35 Meter südsüdöstlich des Fahrweges, gegenüber der Geländekante zur Helle hin) im Oberboden besonders auffällig.

Dessen Vermessung ergab eine Länge von ca. 3,80 Meter in linearer Südwest-Nordost-Ausrichtung bei einer Breite von ca. 1,40 Meter und einer eindeutig abgrenzbaren Schichtdicke von ca. 0,20 – 0,25 Meter.

In dieser definierten, schichtweise systematisch sondierend abgetragenen Oberbodenschicht befand sich zum einen dunkelgrau bis schwarz verfärbte, auffällig dicht gepackte Vielzahl unterschiedlich großer verkohlter Holzreste, von ockerfarbenem und schwarzem Bodenmaterial und von reichlichem verziegeltem (rötlichem) Hüttenlehm.

Auffälliger Weise waren in diesem gut abgrenzbaren Fundhorizont keine Hafen- oder andere Keramikscherben enthalten.

Zudem konnten in der näheren Umgebung dieser neuen Fundstelle unterschiedlich dicke Hafenscherben sowie ein größeres grau-schwarzes Hafenfragment, verglaste Steinfragmente sowie verschiedenfarbige Glastropfen gesichert werden.

Insgesamt kann anhand dieser neuen Fundsicherung im Oberboden angenommen werden, dass hier zumindest ein Teil der mittelalterlichen Glasofenanlage lokalisiert werden kann.

Eine weitere Prospektion des Hellentaler Ortsheimatpflegers am 24. Dezember 2005 ergab erneut zahlreiche Oberflächenfunde (Hafenfragmente, Glastropfen, verglaste Steinfragmente, Hüttenlehm, Keramikscherbe).

Die erste Frühjahrsprospektion am 02. April 2006 erbrachte als Besonderheit in Standortnähe einen Oberflächenfund, der von der Archäologischen Denkmalpflege vorläufig als mögliche kleinere Gießschale zur Herstellung von flachen Glasprodukten eingeordnet wurde.

Bei der orientierenden Prospektion vom 08. August 2010 am Standort der Ofenanlage in ca. 5 – 10 cm Bodentiefe, benachbart von zahlreichen verziegelten Lehmbröckchen, konnte ein gut erhaltener mittelalterlicher Spinnwirtel einer Handspindel freigelegt werden.

Ob am 16. und 23. Januar 2011 aus dem Oberboden des Hüttenplatzes geborgene flache, mit Lufteinschlüssen getrübte und verwitterte Grünglasfragmente mittelalterlich sind und der Produktion der mittelalterlichen Waldglashütte entstammen, wäre noch glasanalytisch zu klären.

 

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[1] STEPHAN 1995, S. 74.

[2] DBU 2018, S. 68.

[3] STEPHAN 2010, S. 526.

[5] LVR-LANDESMUSEUM BONN 2017, S. 257 Kat. 89.

[6] Keramik Restaurierung Lüdtke, Bad Münder am Deister.

[7] LVR-LANDESMUSEUM BONN 2017, S. 262-263 Kat. 100-105.

[9] vergl. Angaben zu Schmelzhäfen  bei BERGMANN 2008, S. 9-10, 15.

[11] BERGMANN 2008, S. 78-79 Abb. 68-69.

[12] vergl. BERGMANN 2008, S. 80.