Wilhelm Raabe (1831-1910)

Klaus A.E. Weber

 

… ist nicht geschmeidig [9] - „Dichter des poetischen Realismus“

 

Wilhelm Raabe

Portraitfotografie 1901

© Historisches Museum Hellental

 

Nicht zuletzt wegen seines zwischen der Klassik und Moderne angesiedelten, umfangreichen Roman- und Erzählungswerkes zählt Wilhelm Raabe (1831-1910) - Pseudonym: Jakob Corvinius - zu den bedeutendsten deutschen Vertretern des poetischen Realismus im späten 20. Jahrhundert.

Seine gesellschaftskritischen Erzählungen, Novellen und Romane machten ihn weit bekannt.[10]

Im Spiegel seiner Gesamtwerke gelten Raabes Werke auf dem heutigen Buchmarkt als Rarität.[13]

  • Wilhelm Raabe: Das Odfeld - Eine Erzählung von 1888

Zweifelsohne zählt Wilhelm Raabe als „Dichter des poetischen Realismus“ [1] zu den bedeutendsten deutschen Erzählern des 19. Jahrhunderts, der am 15. November 1854 erstmals als Schriftsteller die Feder ansetzte.

Der spätere Schriftsteller, Zeichner und Maler Wilhelm Karl Raabe wurde am 08. September 1831 in Eschershausen, im früheren braunschweigischen Weserdistrikt, als Sohn eines „Gerichtsaktuar“ geboren.

In seiner Kindheit und Jugendzeit lebte Wilhelm Raabe

  • 1831-1841 in Holzminden, wo er nach seiner Einschulung 1836 in die "Bürgerschule" ab 1840 das Herzogliche Gymnasium besuchte [14]

  • 1841-1845 in Stadtoldendorf, wo er in die Stadtschule ging, da es dort kein Gymnasium gab.

 

Wilhelm Raabe

Stadtoldendorf 1841-1845 │ April 2020

© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber

 

Nach Aufenthalten in Magdeburg, Wolfenbüttel, Berlin (hier entstand sein erster Roman „Die Chronik der Sperlingsgasse“) und Stuttgart lebte und wirkte Wilhelm Raabe von 1870 an in Braunschweig, wo er am 15. November 1910 verstarb (Ehrengrab auf dem Braunschweiger Hauptfriedhof).

 

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Glashüttenmeister vom Hils in der Ahnenreihe von Wilhelm Raabe

Folgt man einem Zeitungsaufsatz von ENGELKING [12], so sei zweifelsfrei sicher erwiesen, dass die Ahnenreihe von Wilhelm Raabe - "nämlich die Seidenstickers - direkt in den Hils führt, wo sie mit der Geschichte der Wanderglashüten, mit der Entwicklung der Glasherstellung im heutigen Grünenplan und mit den Anfängen der Forstwirtschaft im Hils eng verbunden ist."

Des Weiteren führt ENGELKING [12] hierzu aus:

"Vermutlich hat Wilhelm Raabe selbst von der "Glasmacherlinie" seiner Großmutter Seidensticker nichts gewußt.

Vielleicht wäre ihm ... auch eine historische Erzählung über die Wanderglashütten im Hils in die Feder geflossen.

Die wechselvolle Geschichte der Glasmacherfamilien jener Zeit hätte ihm sicherlich Stoff genug geboten, zur Verdichtung nach Art seiner Raabe'schen Novelle."

 

2006 - 175 Jahre Wilhelm Raabe

Im Jahr 2006 wurde in Raabes Geburtsstadt Eschershausen das besondere Jubiläum - „175 Jahre Wilhelm Raabe“ - gebührend begangen.

Grund genug, auch an dieser Stelle in seinen zahlreichen Werken (Romane, Novellen, Erzählungen) nach lokalen Hinweisen des eng mit unserer Region verbundenen Schriftstellers zu suchen.[10]

Die überschaubaren Ergebnisse der literarischen Suche sollen hier kurz skizziert werden.

 

© Historisches Museum Hellental, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Der heilige Born (1860/1861 ): Der düstere Forst - im Hellental

Wilhelm Raabe beschreibt 1861 in Kapitel III seines ersten historischen Werkes „Der heilige Born“ [2] ein abgelegenes Sollingtal als einen "düsteren Forst" – und somit wahrscheinlich das abgelegene Hellental im Nordsolling.

Eine Zentralfigur seiner Erzählung, Klaus Eckenbrecher, erwirbt in jungen Jahren bei einem "Förster im Solling" gleichsam den „Jagdschein“, indem er den Umgang mit der Armbrust und Büchse erlernt, ebenso auch das Nachahmen jeden Lautes und Tones der Vögel und Vierfüßler des Waldes.[3]

In seinen beiden historischen Erzählungen „Das Odfeld“ [4] und „Hastenbeck“ [5] gestaltete Wilhelm Raabe retrospektiv-erzählerisch, aus dem Blickwinkel von Betroffenen, das Geschehen des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) an regionalen Schauplätzen im Weserbergland.

 

Höxter und Corvey (1879)

Merxhausen – Unter des Teufels Vorbehalt

In der historischen Novelle „Höxter und Corvey“ - von der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg um 1673 erzählend - findet bei Wilhelm Raabe auch das Bauerndorf Merxhausen seine Erwähnung.

Nach Raabes Handschrift von 1873/1874 wird dort im Kapitel V ein "Fährmann" namens Hans Vogedes aus Merxhausen erwähnt, in Höxter als Biedermann in wütender Konfrontation mit dem jungen Studenten Lambert Tewes in der Kneipe zu Sankt Veit am Corveytor stehend.

In diesem Zusammenhang beschreibt Raabe [8] - in biblischer Anspielung auf en Evangelisten Matthäus 4, Verse 5–9 - eine besondere, lokale Variante der Versuchung Jesu:

"Als nämlich der böse Feind, der Versucher [Anmerkung: der Teufel], unseren Herrn Jesus Christus auf die Zinne des Tempels in Jerusalem führte, sprach er zu ihm – nach einer Tradition, die sich an der Weser erhalten hat -:

„Wenn du niederfällst und mich anbetest, soll dir dieses alles gehören bis – bis auf Merxhausen und Sievershausen dort im Solling; - die beiden Dörfer behalte Ich mir vor.“

Ob Wilhelm Raabe hierdurch auf eine besonders ausgeprägte dörfliche Wilddieberei auch in Merxhausen hinweisen wollte?

Oder wollte Raabe vielmehr damit zum Ausdruck bringen, dass selbst der Teufel das schöngelegene Dorf lieben musste?[7]

 

© Historisches Museum Hellental, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Hastenbeck (1895-1898)

Korporal Süllmann aus Hellenthal im Solling

1899 erwähnt Raabe im Kapitel XXIII seiner historische Erzählung und letzten vollendeten Prosaarbeit „Hastenbeck“ szenisch den in der Wachstube des herzoglich-braunschweigischen Schlosses Blankenburg weilenden jungen "Korporal Süllmann aus Hellenthal im Solling", der einer Schwadron der Leibgardereiter des Herzogs Carl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel angehört und in der Wachstube des herzoglichen Schlosses Blankenburg weilt.[6][11]

 

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[1] lt. Insel Verlag.

[2] Roman 1861.

[3] RAABE o. J., S. 35 f.

[4] RAABE 1888; 886/1985.

[5] RAABE 1899; 889/1985.

[6] RAABE 1899; 889/1985, S. 176.

[7] Presseartikel von G. Sch.: Merxhausen wollte der Teufel behalten. Eine heimatgeschichtliche Plauderei über das schöne Sollingdorf Merxhausen (Name der Zeitung und Erscheinungsdatum sind unbekannt).

[8] RAABE 1873/74; 7729/2003, S. 34.

[9] Frankfurter Rundschau, Ausgabe vom 15. November 2010.

[10] CREYDT 1988b, S. 67-75.

[11] BRODHAGE/MÜLLER 1996, S. 34.

[12] ENGELKING 1982.

[13] THOMAS 2021.

[14] KREBS 2020, S. 151-164.