Geschichte des Museums
Klaus A.E. Weber
1995 - Niemand hat die Absicht, ein Museum zu errichten ...
⊚ Zum Anklicken
TAH-Leserbrief 1995
Der erwähnte Bürgermeister der Gemeinde Heinde war damals Heinrich Schoppe (CDU)
Aus der Idee, das Fundmaterial langjähriger glasarchäologischer und glashistorischer Forschungsarbeit öffentlich zugänglich zu machen, entwickelte sich das Museum mit seiner Sammlung als historisches Regionalmuseum.
Buchstäblich Raum gewährt werden sollte zudem der Frage nach den historischen Hintergründen für die systematische Anlage des Arbeiterdorfes Hellental zur Mitte des 18. Jahrhunderts, das abseits im ehemals braunschweigisch-wolfenbüttelschen Waldgebiet des Mittelgebirges Solling entstand.
Die Etappen der Entstehung und Entwicklung des [hmh mit seiner Sammlungsgeschichte werden im Folgenden nachgezeichnet und Besonderheiten herausgearbeitet.
Auch das regionale LandMuseum hat eine Geschichte
Zur lokalhistorischen Spurensuche, zur Dokumentation und öffentlichen Teilhabe an den Untersuchungsergebnissen sowie als regionalgeschichtlicher Knotenpunkt wurde auf Initiative des heutigen Museumsleiters der Heimat- und Geschichtsverein für Heinade-Hellental-Merxhausen e. V. im Mai 2002 in der Mitgliedsgemeinde Heinade der Samtgemeinde Eschershausen-Stadtoldendorf im südniedersächsischen Landkreis Holzminden gegründet – also in einem Raum mit mäßiger kultureller Ausstrahlung.
Mit der Gründung des Heimat- und Geschichtsvereins war auf nachhaltendes Anstoßen des vom Rat der Gemeinde Heinade am 07. Dezember 2005 ernannten ehrenamtlichen Ortsheimatpflegers für Hellental (Dr. Klaus A.E. Weber) auch die systematische Entwicklung eines kleinen Museums für das Dorf Hellental ins Auge gefasst worden.
Hierdurch sollte die hervorgehobene glasgeschichtliche Bedeutung des abgelegenen Alten Tals der Glasmacher im Solling wie auch die besondere Geschichte des vorindustriellen Glasmacherortes und der späteren Arbeitersiedlung Hellental dauerhaft und öffentlich zugänglich präsentiert werden.
Nach anfänglichen Improvisationen ebnete nach einem teils recht kontrovers geführten Abstimmungsprozess schließlich ein Beschluss des Rates der Gemeinde Heinade, den Weg zur Einrichtung eines Dorfmuseums in der gemeindeeigenen Immobile des alten Hellentaler Gemeindebackhauses, einem bauhistorisch besonderen, aber marode gewordenen Fachwerkgebäude aus dem frühen 19. Jahrhundert.
Der Gemeindebürgermeister Heinrich Schoppe und später der Gemeindebürgermeister Gerhard Ross begleiteten in den Folgejahren die strategische und inhaltliche Museumsentwicklung zwar wohlwollend, aber kommunalpolitisch typisch vornehmlich unter haushälterischen Gesichtspunkten.
Seit dem 30. Januar 2009 ist Dr. Klaus A.E. Weber Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins für Heinade-Hellental-Merxhausen e. V. und heute zugleich auch Leiter des Museums.
2003
Auflösung des ehemaligen „Wald- und Lönsmuseums"
In Hellental bestand in der Sollingstraße bis zum Jahr 2003 in einer einfachen Holzbaracke das regional bekannte, privat von Willi Leßmann (1920-1991) errichtete Wald- und Lönsmuseum.
Es enthielt Sammlungsbestände zur Mineralogie, Pflanzen- und Tierwelt (u. a. Orchideenfotografien), zu Hermann Löns (Buchbestand[2]) und zum Dritten Reich (mit politisch äußerst bedenklichem Bestand!).[1]
Die Holzbaracke war seit dem Tode von Willi Leßmann im Jahr 1991 zusehends „verwaist” und durch wiederholte Bau- und Wasserschäden völlig unbrauchbar geworden.
Es wurde schließlich im Herbst 2003 von der Gemeinde Heinade in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Hellental des Heimat- und Geschichtsvereins aufgelöst, das Holzgebäude vollständig abgetragen und das Baumaterial entsorgt.
Alle Sammlungsgegenstände waren zumeist ohne nachvollziehbaren Kontext gewesen bei unvollständiger, nicht dokumentierter Kenntnislage (ohne Erfassung und Beschriftung).
Die Provenienz der meisten Objekte blieb ohne Benennung der Fundorte und Fundzusammenhänge ungeklärt.
Anzutreffen waren durch Schädlingsbefall und Gebäudeschäden weitgehend irreparabel geschädigte Holzobjekte und ausgestopfte Tierkörper sowie Bestandsreste ohne Aussagewert.
Eine Dokumentation bzw. Inventarisation war nicht nachweisbar.
Insgesamt befanden sich die Sammlungsobjekte in einem heruntergekommen Erhaltungszustand, so dass letztlich nur wenige Sammlungsgegenstände übernommen werden konnten und andere entsorgt werden mussten.
Die vermutlich in den Jahren um 1960-1980 entstandene fotografische Sammlung von zahlreichen, im Format unterschiedlich großen Farbfotografien blühender Orchideen wurde mangels räumlicher Zuordnung und wegen des schlechten Erhaltungszustandes nach einer kleinen Sonderausstellung im Juli 2023 entsorgt.
Viele der mit Kunststofffolie überzogenen, teils unscharfen Fotografien waren abgeblasst und nicht mehr zur Bewahrung als Museumsgut geeignet.
Nur eine Entsorgung von Sammlungsgegenständen kam in Betracht, da kein Museum oder keine andere geeignete Institution zur Übernahme bereit, ein Verkauf oder eine Schenkung an Einzelpersonen nicht möglich und die Entsorgung aus Gründen der Einhaltung des Sammlungskonzeptes geboten war.
2007-2008
Restaurierung des alten Gemeinde-Backhauses
Im Gegensatz zu anderen Regionen, in denen zu jedem historischen Bauernhof als Nebengebäude auch ein Backhaus gehörte, wurde im Weserdistrikt (heute etwa Landkreis Holzminden) des ehemaligen Herzogtums Braunschweig ab 1744 die Errichtung zentraler Dorfbackhäuser verpflichtend.
Um ein solches Dorfbackhaus handelt es sich in Hellental, errichtet um 1828.
Projekt der Kreisvolkshochschule Holzminden
Auf Anregung des Hellentaler Ortsheimatpflegers verwirklichte die Kreisvolkshochschule Holzminden (KVHS) als erfolgreiche Trägerin von Qualifizierung- und Beschäftigungsprojekten für arbeitslose Jugendliche und Erwachsene im Zeitraum von 2007 bis 2008 eine Teilrestaurierung des alten Hellentaler Gemeinde-Backhauses, das noch bis 2006 bewohnt war.
Das KVHS-Projekt beinhaltete die Qualifizierung und Betreuung der Teilnehmenden mit dem Ziel der Eingliederung in das Berufsleben.
Ziel dieses Projektes war es, die berufliche Qualifizierung junger Menschen mit der Förderung der dörflichen Infrastruktur von Hellental zu verbinden.
Im Rahmen des KVHS Projektes wurden verschiedene Einzelmaßnahmen verwirklicht.
Neben der Sicherung der alten Bausubstanz des Fachwerkhauses erfolgten ein nutzungsgerechter Umbau des Gesamtgebäudes sowie die Instandsetzung des wieder aufgefundenen Steinbackofens.
Nach Fertigstellung der Baumaßnahmen entstand unter der Leitung des Hellentaler Ortsheimatpflegers und Mitwirkung der örtlichen Arbeitsgruppe des Heimat- und Geschichtsverein ein Ausstellungsgebäude für die besondere Glas- und Backhausgeschichte des Hellentals - das „Museum im Backhaus | Hellental“ mit angeschlossenem Holzbackofen nach dem freigelegten historischen Originalvorbild.
Das Projekt der Kreisvolkshochschule wurde aus Mitteln der Europäischen Union, des Landkreises Holzminden, der Gemeinde Heinade, der Agentur für Arbeit und der Arbeitsgemeinschaft zur Arbeitsvermittlung Holzminden finanziert.
2011-2012
Kulturnetzwerk Solling
Im Rahmen der Machbarkeitsstudie Kulturnetzwerk Solling in den Jahren 2011 bis 2012 des Sollingvereins Uslar und des Solling(haupt)vereins Neuhaus war auch eine orientierende Museumsbesichtigung für das Backhaus durch die freiberufliche Museumsberaterin Dr. Beate Bollmann, Oldenburg, erfolgt.
Daraufhin wurde die erste Dauerausstellung des Museums in Frage gestellt, grundlegend überarbeitet und durch eine veränderte Schwerpunktsetzung ab dem Jahr 2012 neu gestaltet.
Letztlich scheiterten die weitere Entwicklung und der praktische Aufbau des Kulturnetzwerkes Solling aus nicht nachvollziehbaren kommunalpolitischen und wohl auch personenbezogenen Gründen.
2016
Gemeinde 5.0
Der regionale Exkursionstag der Allianz Ländlicher Raum [2] führte am 09. August 2016 zu einem Besuch des Backhauses.
Seit Oktober 2019
HISTORISCHES MUSEUM HELLENTAL
In Verbindung mit dem Heimat- und Geschichtsverein entstanden, sind seit Oktober 2019 unter dem Dach des [hmh zwei thematisch eigenständige Museumshäuser mit ihren markanten historischen Fachwerkbauten konzeptionell zusammengeführt.
Sie weisen ein jeweils eigenes Profil mit inhaltlichem Zusammenhang ihrer entsprechenden Sammlung auf.
Beide Gebäude sind keine denkmalgeschützten [3] Baudenkmale und als historische Gebäude in Nachnutzung öffentlich zugänglich.
MUSEUM IM BACKHAUS │ Museum für Glas & Brot │ seit 2008
Noch heute imponiert im Zentrum des alten Hellentaler Oberdorfes malerisch ein schlicht gehaltener, dreiteiliger Baukomplex mit separaten Satteldächern aus dem frühen 19. Jahrhundert (um 1828).
Der freistehende Baukomplex befindet sich oberhalb des Dorfplatzes „Am Teiche 2“ mit dem alten Mühlen- und späteren Feuerlöschteich und unterhalb der Buntsandstein-Quellfassung der historisch genutzten Bergquelle.
Das Fachwerkgebäude ist als ehemaliges ländliches Dorfbackhaus (Gemeinde-Backhaus) ein Herzstück und „erstes Exponat“ des HISTORISCHEN MUSEUMS HELLENTAL.
Zunächst als „historisch-archäologisches Sollingmuseum“ bezeichnet, führte dessen Forschung zur heutigen Dauerausstellung „Glas & Brot“.
Die Ausstellungsthemen repräsentieren zum einen das glasgeschichtliche Gedächtnis des Alten Tals der Glasmacher, zum anderen das lebendige kulturhistorische Zeugnis eines Dorfbackhauses längst vergangener Zeiten im ehemals braunschweigischen Solling.
Das am Tag des offenen Denkmals® am 14. September 2008 nach längerer Renovierungsphase wieder öffentlich zugänglich gewordene Dorfbackhaus beheimatet nunmehr als kommunales MUSEUM IM BACKHAUS │ Museum für Glas & Brot kompakte Themenräume zur Glas- und Backhausgeschichte.
Als kultureller Entdeckungsort in der alten Glaslandschaft der Solling-Vogler-Region betätigt sich das Museum weiterhin aktiv an der Erforschung, Dokumentation, Bewahrung und Vermittlung der temporären regionalen Waldglaserzeugung sowie der Geschichte des Gemeinde-Backhauses.
Dabei wird vermittelt, wie das glashistorische Erbe des Hellentals im Glaserzeugungskreis Solling mit seinen zahlreichen Waldglashütten, die Geschichte des Glasmacherortes und späteren Waldarbeiter- und Landhandwerkerdorfes Hellental sowie des gleichnamigen Grünlandtales seit jeher eng mit der historischen Wald- und Holznutzung des ehemals braunschweigischen Sollings verbunden war.
Ausstellung GLAS
Waldglashütten - Zeugnisse der Wanderarbeit im Solling
Im Spiegel historischer und gesellschaftlicher Entwicklungen wird Zeugnissen und Spuren von Glasmacherfamilien und der Waldglasherstellung in der nördlichen Region des Sollings nachgegangen – vornehmlich im Alten Tal der Glasmacher.
In dem wald- und wasserreichen Grenzraum des abgelegenen Hellentals, einem alten Kleinraum der Glasherstellung im Solling, erblühte seit dem späten 12. Jahrhundert bis zur ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts temporär die faszinierende „heiße Kunst" der manuellen Glasherstellung, sozialgeschichtlich gekennzeichnet von Mobilität und Arbeitsmigration.
Mittelalterliche und frühneuzeitliche Waldglashütten belegen die holzwirtschaftliche Nebennutzung der Sollingforsten. So führt eine Zeitreise zu Spuren von zugewanderten Glasprofis im Umfeld des Hellentals und zu kulturhistorischen Wurzeln standortorientierter Herstellung von Waldglas in dem Alten Tal der Glasmacher[2].
Ein besonderes archäologisches Zeugnis mittelalterlicher Waldglaserzeugung und glastechnisches Leitobjekt der Museumssammlung ist der restaurierte Glashafen (Schmelztiegel) einer Waldglashütte des späten 12. Jahrhunderts.
Zusammen mit Fundmaterial aus dem „Bodenarchiv“ des Alten Tals der Glasmacher erzählt in dem Schauraum Gemenge & Heiße Arbeit ein zeitgenössisch inszenierter Glasofen auch von den Lebensbedingungen auf einer großen Waldglashütte im oberen Hellental während des ersten Drittels des 17. Jahrhunderts.
Die hohe Leistungsfähigkeit des Glashüttenbetriebes unterstreicht ein breites Hohl- und Flachglasspektrum in regionaltypischer Formensprache.
Dabei ist der Bodenfund einer wahrscheinlich kompletten Glasmacherpfeife, einem glashandwerklich außerordentlich wertvolles eisernes Werkzeug, ein glastechnisches Leitobjekt und ein Ausstellungshighlight.
Der Frage, wie in der um 1715 gegründeten Söllinger Glasshütte letztmals Glas hergestellt und zugleich das Ende der traditionellen Waldglashüttenzeit im Solling während des 18. Jahrhunderts eingeläutet wurde, widmet sich ein weiterer Schwerpunkt der Dauerausstellung.
Ausstellung BROT
Dorfbackhaus mit überraschend großem Holzbackofen
In dem solitär stehenden BACKHAUS wird vermittelt, wie unter Herzog Carl I. angeordnet wurde, bey jeglicher Gemeinde ein Back-Haus mitten im Dorfe anzulegen.
Mit dem restaurierten Holzbackofen wird erfassbar, wie unter Herzog Carl I. zur ansehnlichen Holz-Ersparung das Errichten von Gemeinde-Back-Oefen genormter Structur und vorbeschriebenen Maasse ab 1744 verpflichtend wurde.
Der rekonstruierte Holzbackofen ist ein dorfgeschichtliches Leitobjekt und ein Ausstellungshighlight.
Ein Museumsbesuch lässt nachvollziehen, weshalb das Dorfbackhaus mit seinem innen befeuerten Gewölbebackofen ein wertvolles Zeugnis eigener dörflicher Kultur im ehemals braunschweigischen Waldgebiet des Sollings ist.
An öffentlichen Backtagen wird in dem historischen Holzbackofen aus dem Mehl regionaler Brotgetreidesorten duftend frisches Steinofenbrot gebacken.
SOLLINGHAUS WEBER │ Museum der Alltagskultur │ seit 2019
Innerhalb des alten Dorfkerns von Hellental befindet sich in einem markanten, restaurierten Fachwerkgebäude des späten 19. Jahrhunderts das in privater Trägerschaft geführte SOLLINGHAUS als Museum der Alltagskultur.
Nach dem Umbauprozess im Rahmen des Ausstellungsprojektes WALD|GLAS|DORF konnte das Museumshaus mitsamt seinem agrarisch-handwerklichen Gebäudeensemble die Pforten erstmals öffentlich zum Tag des offenen Denkmals® am 08. September 2019 öffnen.
Einem Freilichtmuseum ähnlich, soll das Museum ein aktives, lebendiges Museumshaus mit volkskundlichem Sammlungs- und Ausstellungsschwerpunkt sein und zum Erleben und Erinnern einladen.
Zugleich ist das Gebäudeensemble ein weiteres Herzstück und „erstes Exponat“ des [hmh.
Landwirtschaftlich basiertes Gebäudeensemble
In der Hellentaler Arbeitersiedlung spiegelt das ehemals landwirtschaftlich basierte Gebäudeensemble des heutigen Museumshauses die ländliche Baukultur und Formensprache der regional kennzeichnenden Hausform „Sollinghaus“ wieder.
Anschaulich ist in dem Museumshaus erkennbar, wie sich die sozio-ökonomischen Besonderheiten der Hauseigentümer einst im Dorf ausgewirkt haben.
Das freistehende Gebäudeensemble setzt sich zusammen aus einem
-
Haupthaus - Wohnhaus
-
Wirtschaftsgebäude - Tenne
- Nebengebäude – Stall für Kühe und Schweine (später Holz- und Kohlenlager)
Das repräsentative Fachwerkhaus von 1884 (Ass.-№ 40) erinnert mit seinem Sockel aus regelmäßigem Schichtmauerwerk und hoher Freitreppe mit Podest aus Solling-Buntsandstein daran, dass im 18. Jahrhundert erstmals Häuser eines besonderen, nicht bäuerlichen Typs errichtet wurden, die alleinig dem Wohnen und Hauswirtschaften von Arbeiterfamilien dienten.
_________________________________________________________________________________
[1] Der Buchbestand wurde vollständig in das [hmh übernommen und befindet sich in der digitalen Erfassung.
[2] Niedersächsischer Städte- und Gemeindebund, Niedersächsischer Heimatbund, Niedersächsischer Landkreistag und Akademie Ländlicher Raum Niedersachsen.
[3] Im Sinne des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes (NDSchG).