BROT │ Gebacken mit Laib und Seele
Klaus A.E. Weber
© Historisches Museum Hellental, Fotos: Mechthild Ziemer
Brot zu backen, erfordert Wissen, Geduld, Kreativität und Teamwork
Bäckerhandwerk und häusliches Backen
Brotbacken gilt als zentraler Bestandteil der Selbstversorgung auf dem Land und war seit alters her eine Domäne der Hausfrauen.
Im Rahmen der Dauerausstellung wird gezeigt, dass traditionelles Brotbacken ein gemeinsames Merkmal charakterisiert: Wissen, Geduld, Kreativität und Teamwork.
Im 18. Jahrhundert erlangte auch das Brot als Hauptbestandteil der sich wandelnden Nahrungsgewohnheit eine zentrale Bedeutung in der Ernährung.
Die im 19. Jahrhundert anwachsende ländliche Bevölkerung musste ihr Brot in gesonderten, fremden Backöfen backen lassen, wenn kein Brotkauf möglich war.
Den steigenden Brotbedarf konnten Lohnbäckereien als Gewerbebetriebe abdecken, indem der Brotteig zuhause zubereitet und gegen Entgelt in der Lohnbäckerei gebacken wurde.
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Ein lebendiges volkskundliches Zeugnis eines zentralen Dorfbackhauses als Lohnbäckerei mit staatlich konzessioniertem Steinbackofen im ehemals braunschweigischen Weserdistrikt ist das kulturhistorisch bedeutende Gemeinde-Backhaus aus dem frühen 19. Jahrhundert und dessen dörfliche Nutzungshistorie, basierend auf der herzoglichen Verordnung von 1744 durch Carl I. im Rahmen des "Fürstlichen Landesausbaus" im 18. Jahrhundert.
Unser Brot [5]
Als Körnlein gesät, als Ähren gemäht,
gedroschen im Takt, gesiebt und gehackt,
dann hurtig und fein gemahlen vom Stein,
geknetet und gut gebräunt in der Glut,
liegt’s duftend und frisch als Brot auf dem Tisch.
© Historisches Museum Hellental, Foto: Klaus A.E. Weber
Das alte Dorfbackhaus - das heutige Museum im Backhaus - gehörte einst der kommunal selbständigen Hellentaler Dorfgemeinschaft und ist noch heute in kommunalem Eigentum der Gemeinde Heinade.
Der Themenbereich zeigt in kompakter Präsentation, wie unter der landesväterlichen Regentschaft des aufgeklärten Herzogs Carl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel-Bevern (1713-1780) am 04. Juli 1744 gemäß landesherrlicher Verordnung die Anlegung besonderer Backhäuser angeordnet wurde, um Bau- und Brennholz einzusparen und dem "bisherigen Holz-Verderb" entgegen zu wirken.
Durch diese Landesverordnung gab Herzog Carl I. seinen "getreuen Unterthanen" im Weserdistrikt verpflichtend vor, in den Dörfern "Gemeinde Back-Häuser" zu errichten.
Gemeinde-Backhäuser
Wolfenbüttel, 17. Juni 1745
NLA WO, 75 Alt 57 Bl.9 r
Backofenanlage im herzoglichen Schloss Salzdahlum
erbaut zwischen 1688 und 1694
NLA WO, 75 Alt 57 Bl.10 r.
"Bey jeglicher Gemeinde ein Back-Haus mitten im Dorfe"
Zentrale Gemeinde-Backhäuser infolge der herzoglichen Verordnung vom Juli 1744 zur "ansehnlichen Holz-Ersparung".
Die Vorgabe zur "ansehnlichen Holz-Ersparung" und "Abwendung der Feuersgefahr" im Weserdistrikt flächendeckend "bey jeglicher Gemeinde ein Back-Haus" zu errichten, ist auf die Verordnung des Herzogs Carl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel von 1744 zurück zu führen.
Um dem "bisherigen Holz-Verderb" entgegen zu wirken, ordnete Herzog Carl I. das Abschaffen aller Privatbacköfen und die Anlegung besonderer "Gemeinde Back-Häuser" oder von "Gemeinde-Back-Oefen" genormter "Structur" und "vorbeschriebenen Maasse" an.
Die energiewirtschaftliche Bilanzierung der "Fürstlichen Cammer" in Braunschweig galt hierbei der Schonung des Holzes herzoglicher Waldungen - neben dem Wasser die wichtigste Energieressource jener Zeit.
Im Dezember 1772 folgte schließlich eine weitere herzogliche Verordnung zur "gehörigen Einrichtung der Gemeinde=Backöfen".
Ein solches zentrales Dorfbackhaus ist das Gemeinde-Backhaus in Hellental.
Im Sinne der herzoglichen Verordnung befindet sich der schlichte Fachwerkbau freistehend in der Dorfmitte, oberhalb des alten Mühlenteiches.
Der vor diesem Verordnungshintergrund um 1828 beim Neubau des Hellentaler Gemeinde-Backhauses errichtete und bis um 1900 betriebene Steinbackofen ist ein typischer bäuerlicher Backofen.
Dessen Konstruktion entspricht dem aus dem Mittelalter übernommenen Backofenbau mit direkter Backinnenraumbefeuerung, wie ihn der Lehmbackofen in der Rekonstruktion eines Mittelalterhauses der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts der Stadtwüstung Nienover darstellt.
Brotbacken im Lehmbackofen
Rekonstruktion eines Mittelalterhauses
1. Hälfte 13. Jahrhundert
© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber
Der Museumsbesuch lässt anschaulich nachvollziehen, weshalb der aus Brandschutzgründen freistehende Fachwerkbau mit seinem direkt innen befeuerten Gewölbebackofen ein wertvolles Zeugnis eigener dörflicher Kultur im ehemals braunschweigischen Solling darstellt.
Ein besonderes museales Highlight ist, wenn an ausgewählten, öffentlich bekannt gegebenen Backtagen früh der große Museumsbackofen - einem wertvollen Zeugnis jahrhundertealter Handwerkskunst und dörflicher Kultur - im historischen Gemeindebackhaus aufgeheizt wird, um dann aus dem Mehl regionaler Getreidesorten Brote mit besonderem Geschmack und unverkennbar feinem Aroma - aufgrund des "Holzbackofeneffektes" - Hellentaler Brote zu backen.
Hierbei kann man die Phasen traditionellen Brotbackens erleben:
-
Aufheizen
-
Ausräumen
-
Einschießen
- Ausschießen.
Neben der Vorliebe zum traditionellen Brotbacken spielt die Backgemeinschaft und das Zusammenarbeiten am Backofen eine wichtige Rolle.
Ehemalige Bäckerei Kühne │ Einbeck
Dezember 2006 [3]
© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber
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[1] nach HAHNE 1972.
[2] Angaben in Himpten ⃒ 1 Himpten = ca. 31 l.
[3] Video-Aufnahme von Henning Rohlf, Einbeck.
[4] aus der ehemaligen Sammlung Lessmann, Hellental.
[5] Trudi Gross, Bubach-Calmesweiler, 2001.