Klosterkirche St. Marien auf dem Odfeld
Klaus A.E. Weber
vernachlässigt - fremd genutzt - zerstört
Nach MAIER [3] zählt die Kirche „zu den herausragenden Zeugnissen mittelalterlicher Ordensbaukunst in Niedersachsen“ und mit einer Gesamtlänge von 60 m zu den zisterziensischen Kirchenbauten mittlerer Größe, errichtet während zwei Bauperioden [5]:
12. Jahrhundert
- Bauzeit der romanischen Anlage mit flachgedecktem basilikalem Langhaus, Teile des Querhauses
14. Jahrhundert
- spätgotische Umbauphase mit basilikalem gewölbten Choraufbau und Erhöhung und Einwölbung des Querhauses
Ausschnitt aus der zeichnerischen Rekonstruktion von Wolfgang Braun
"Ein Schatz in irdenen Gefäßen" [6]
Vorweg ist anzumerken, dass die Zisterzienser ihre Kirchen fast ausschließlich monastisch nutzten und dabei die Kreuzform des benediktinischen Grundrisses übernahmen.
Wie MAIER [4] darlegt, biete sich aufgrund der dürftigen Überlieferungslage „für die Bauzeit der Kirche zunächst einmal im wesentlichen die Zeitspanne des dritten bis sechsten Jahrzehnts des 12. Jahrhunderts an“.
In rund 870 Jahren von einer Mönchskirche zur Gemeindekirche
Die „wechselvolle Geschichte der Amelungsborner Klosterkirche ist geprägt von Aufbau, Blüte, Zerfall und Neubeginn und wird damit zum Bild auch menschlichen Lebens“.[6]
Zeitgenössische, farbig bemalte Holzskulptur Gottesmutter
im gotischen Chor
Alle Zisterzienserkirchen sind Maria geweiht.
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Der christozentrische Abt Berhard von Clairvaux förderte "die leidenschaftliche Verehrung der Gottesmutter im Zisterzienserorden", weshalb auch das Kloster Amelungsborn der Jungfrau Maria geweiht wurde - wie alle Zisterzienserkirchen.[22]
Klosterkirche S. Marien
Ansicht von Süden um 1985 [30]
Querschiff und Langhaus mit Vierungshaube von 1684
Der Kirchenbau [12][20][21][23]
Zerstörungen │ Veränderungen │ Ergänzungen
"Mehr als 850 Jahre Geschichte ruhen auf St. Marien"[36]
- MAIER [7]: Bemerkungen zur Baugeschichte und zur kunstgeschichtlichen Stellung.
Die Klosterkirche auf der Hügelkuppe des Odfeldes wurde aus dem in nächster Nähe gebrochenen Buntsandstein gemauert; in dem romanischen Kirchenteil in Quadern aufgesetzt.
Der Bau der dreischiffigen Basilika mit stark überhöhtem Mittelschiff erfolgte bis 1158.
Ab 1355 (1340-1363) wurde die der Jungfrau Maria geweihte Klosterkirche durch die Vergrößerung und Aufstockung des Querhauses und des hohen gotischen Chors erweitert.
Das Dach der Klosterkirche war ursprünglich wohl komplett mit gotischen Biberschwanz-Dachziegeln eingedeckt, mit dem ältesten, aus Ton hergestellten Dachbaustoff.[42]
Nach MAIER [11] zeige sich, dass „regionale Baugepflogenheiten, sicherlich auch Abhängigkeit von den Klosterstifter in ihrer Rolle als Bauherrn stärkeres Gewicht in der formalen Ausprägung der frühen Zisterzienserbauten haben als die vom Orden ausgehenden Einflüsse“.
Das Langhausportal
Das nördliche Langhausportal war bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts von einem Vorraum umschlossen, der vor dem Abbruch im Jahr 1840 die Vorhalle – das „Paradies“ – umfasste.
Ein östlich anschließender Nebenraum wies einen kleinem ostseitigen Chor und ein Obergeschoß auf, das zuletzt eine Amtsschreibstube.[2]
Das heutige Portal des Haupteingangs weist eine abgestufte Rahmung auf, die an beiden Seiten von Halbsäulenvorlagen begleitet wird, welche oben mit einfachen Kapitellen enden, stammen von einer zweigeschossigen Halle, die als Abtskapelle und als Gerichtsstube diente, da der Abt die Rechts- und Verwaltungshoheit ausübte.
Das „Paradies“ vor dem Abriss
Ausschnitt aus dem Grund- und Aufriss der Kirche
Abb. aus STEINACKER 1907 ⦋9⦌
Laienportal mit Torkapellenfragmenten
Hauptportal der Gemeindekirche │ September 2022
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Das schlichte basikale Langhaus
In der ersten Bauperiode errichteten die Mönche das basikale Langhaus und Teile des Querhauses.
Die Errichtung des romanischen, dreischiffigen, flachgedeckten und turmlosen Langhaus aus der ersten Bauperiode im 12. Jahrhundert (um 1144-1158) mit
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äußerem Schichtmauerwerk aus sorgfältig gefügten Sandsteinquadern
- den Langhausarkaden mit einfachem Stützenwechsel (abwechselnd typisch niedersächsischen Pfeiler und Würfelknaufsäulen in neun Arkaden) (Näheres unter [10])
wird Berthold von Homburg und seiner Gemahlin Sophia zugeschrieben.[40]
Das Langhaus wurde durch den Bischof von Hildesheim geweiht.[40]
Romanisches Langhaus mit wenigen kleinen Fenstern
Schichtmauerwerk aus sorgfältig gefügten Sandsteinquadern
September 2022
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Das Querhaus
Aus der ersten Bauperiode im 12. Jahrhundert stammend das romanische, um 1350 gotisch überhöhte und eingewölbte Querhaus, das als Querschiff dem romanischen Langhaus vorgelagert ist und zum gotischen Chor überleitet.
Es wurde erstellt in der älteren Tradition mit geradem Chorabschluss und Umgang; später mit Vierungsturm.
Bis zum Abbruch des Kreuzganges in der Zeit um 1860 führte das romanische Querhausportal in den Kreuzgang.
Zu beiden Seiten des großen Spitzbogenfensters zeichnen sich im Mauerwerk Gewändereste romanischer Rundbogenfester ab.[2]
Die im 19. Jahrhundert in neuromanischen Formen erneuerte Tür führte einst als Zugang für die Laienbrüder in das südliche Seitenschiff.
Südlicher Querhausarm │ April 2025
mit in neuromanischen Formen erneuerter Tür
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Südlicher Querhausarm │ April 2025
Gewändereste romanischer Rundbogenfester
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Der gotische Chor
Wie MAIER [13] darlegt, ist eine genaue zeitliche Einordnung des gotischen Chorbaues schwierig.
Abt Engelhard (1355-1371) soll die Errichtung des neuen gotischen Chores beauftragt haben.
Der hohe, dreischiffige, rein gotisch flach geschlossene, gewölbte und im Osten gerade geschlossene Chorraum aus dem 14. Jahrhundert (1355-1363) weist am großen Chorgewölbe über dem Hochaltar Wappenschilder von vier Stifterfamilien auf:
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Braunschweig-Lüneburg
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Homburg
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Mecklenburg-Werle
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Everstein.
Fehlende Steinmetzzeichen deuten darauf hin, dass der Kirchenbau von Ordenshandwerkern erstellt wurde.
Hohe schmale gotische Fenster in den Seitenschiffen geben den vorherrschenden Zeitgeschmack wieder.
Ausdruck der alten zisterzienischen Abneigung gegen Schmuck und Farbe führte offenbar dazu, dass im Kirchinneren keine Wandmalereien angebracht wurden.
Das mittelalterliche Chorgestühl im Chor ist nicht erhalten geblieben.
Gotischer Chor mit hohe schmalen Fenstern
und südlicher Querhausarm von Südosten │ September 2022
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
1. Hälfte 18. Jahrhundert
Letzte größere Umgestaltung der Klosterkirche
"In der Sanierung und Umgestaltung des romanischen Langhauses der Amelungsborner Klosterkirche sowie des nördlichen Kreuzgangbereiches" bestand die besondere baugeschichtliche Leistung des bauaktiven Abtes Christian Heinrich Behm (1662-1740) - 11. Abt seit der Reformation (1712-1740).[1][2]
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[1] GÖHMANN 2004, S. 9.
[2] MAIER 1990, S. 35 Abb. 3.
[3] MAIER 1990, S. 31.
[4] MAIER 1990, S. 31-32.
[5] MAIER 1990, S. 34.
[6] MELCHER in MARX/OSTERMANN 2021, S. 10.
[7] MAIER 1990, S. 31-56.
[8] MARX (o.J.)
[9] Abb. in GÖHMANN 1991, S. 107 Abb. 25.
[10] MAIER 1990, S. 35-36.
[11] MAIER 1990, S. 51.
[12] GÖHMANN 1991, S. 15, 18, 20-23.
[13] MAIER 1990, S. 54-55.
[20] LVR-LANDESMUSEUM BONN 2017, S. 305.
[21] MARX/OSTERMANN 2021, S. 123.
[22] HEUTGER 1968, S. 24-25.
[23] HEUTGER 1968, S. 31-32.
[30] Abb. aus OSTERMANN/SCHRADER 1985, S. 82.
[36] TAH 1998.
[37] TAH 2007a, 2007b, 2007c.
[40] RAULS 1974, S. 31.
[42] Klosterküster Ulrich Marx: Kleine Baugeschichte des Klosters Amelungsborn.
[44] MERIAN 1654, S. 42, 43.