Der Kirchenraum - Ein besonderer, geistlicher Ort

Klaus A.E. Weber

 

Gemeindealtar und modernes Kreuz mit Blick in das romanische Langhaus

vier Rosenquarze mit Meditationskorpus in einem Bergkristall

1965 erstellt von Friedrich Marby

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Ehemals reich ausgestattet

Im Gegensatz zur heutigen Innenausstattung der Klosterkirche St. Marien war das ehemalige Innere des Kirchengebäudes reich ausgestattet.

Jedoch haben nur wenige Ausstattungsgegenstände die wechselhaften und zerstörerischen Zeiten überdauert.

Vormals außen liegende Grabsteine/Grabplatten und Grabmäler ("Leichsteine") , teils mit Inschriften, Wappen und/oder Abbildungen der Bestatteten, wurden an die Innenwand des nördlichen Chorseitenschiffes versetzt.⦋4⦌

So befand sich die Tumba des Eversteiner Grafen bauzeitlich ehemals stehend zwischen Pfeilern des Chores, wurde aber in die Mitte des südlichen Chorseitenschiffes verlegt.[27]

Etwa in Höhe der Kanzel befand sich einst der Lettner, der aus einem Altar bestand, nördlich und südlich flankiert von Schranken.

Über dem Gemeindealtar mit zeitgenössischem Meditationskreuz befinden sich gotische Gewölberippen mit Plaketten der Symbole der Evangelisten und dem Lamm Gottes.

 

Pfeiler und Säulen mit Würfelkapitellen

Sakralarchitektonisch zeigt das flach gedeckte, dreischiffige Langhaus einen einfachen Stützenwechsel zwischen abwechselnd typisch niedersächsischen Pfeilern und Säulen mit schweren Würfelkapitellen (Würfelknaufsäulen) in neun Arkaden.

 

Schlichte Würfelkapitelle, Pfeiler und Säulen im romanischen Langhaus

© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber

 

In dem schlichten Langhaus des romanischen Westteils der Klosterkirche befand sich einst das Chorgestühl für die Mönche, die sich sieben Mal am Tag trafen zum Gotteslob, beteten, sangen, hörten und schwiegen.

Das Chorgestühl war in der Blütezeit des Klosters für etwa 90 Personen angelegt; es ist leider nicht erhalten geblieben.

 

Vierung der Klosterkirche mit Blick auf das Nordfenster

mit Vierungspfeilern

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Vierung

Im Kirchenraum ist die Vierung ein kirchenbaulich bedeutender Schnittpunkt, da hier die beiden horizontalen Achsen des Gebäudes, Nord und Süd, Ost und West in einem Punkt zusammentreffen.

In der Vierung mit vier Vierungspfeilern befinden sich deckenseitig gotische Gewölberippen mit Plaketten der Symbole der vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes und dem Lamm Gottes.

 

Gotische Gewölberippen mit Symbolen der vier Evangelisten und dem Lamm Gottes

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Das Sanctuarium

Das Sanctuarium, der Hohe Chor, war für die Erbauer als besonderer Raum wichtig.

 

Blick in das Sanctuarium mit großem Ostfenster

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Südliches Seitenchor

 

Südliches Seitenchor │ April 2025

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Taufstein von 1592

GÖHMANN ⦋9⦌[15], RÖCKENER ⦋5⦌ und DRÖMANN/GÖHMANN [18] führen aus, dass sich der unterhalb des Ostfensters im südlichen Seitenchor in einer kleinen Tauf- und Beichtkapelle aufgestellte qualitätsvoll aus hellem (gelben) Sandstein gearbeitete Taufstein in leichten, eleganten Formen über einem oktogonalen Sockel becherförmig erhebt.

 

Taufstein auf das Jahr 1592 datiert

Traditionszeichen: Wappen der Zisterzienser

weiß-rot geschachteter Schrägbalken, gekreuzt mit einem Abtstab

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Der Taufstein mit dem eingeschlagenen Jahr seiner Stiftung 1592 ist reich mit im Renaissancestil verzierten und bemalten Blatt- und Rollwerkkartuschen, mit Voluten, Flügelköpfen und Fruchtgehängen besetzt.

Auf Rollwerk-Kartuschen umgeben das Taufbecken verschiedene Wappenschilder:

  • weiß-rot geschachteter Schrägbalken als Wappen der der Zisterzienser, gekreuzt mit einem Hirtenstab

  • Wappen des Abtes der Entstehungszeit, Vitus Buchius (reg. 1588-1598), mit einem Baum vor zwei gekreuzten Abtstäben

  • ehemals bemaltes herzoglich Braunschweigisches Wappen in Form eines dreimal geteilten und einmal gespaltenen Schildes

  • ein Leerschild, das einst bemalt als Halberstädter Wappen trug.

Der Taufstein "ist ein Geschenk eines Benediktinerabtes aus Corvey hier an den zweiten evangelischen Abt Vitus Busch".[33]

Der vom Corveyer Abt und der lüneburgischen Familie Töbing gestiftete Taufstein dient der Gemeindekirche der Klosterdörfer.

Über dem Taufstein befinden sich heute die wertvollen Glasscheiben aus dem ehemaligen Nordfenster über der Totentür mit einer Stamm Jesse-Darstellung.

Durch jene Totentür trugen die Mönche ihre heimgerufenen Brüder auf den Klosterfriedhof.

 

Grablegungen und Grabplatten

 

"Dem Gedenken der Väter"

Memorienplatte mit Klosterwappen im nördlichen Umgangschor

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Umrahmung eines 1965 ausgehobenen Steinsarkes

rundliche Vertiefung für das Haupt │11./12. Jahrhundert

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Sandsteinsarkophag

Die Klosterkirche diente auch als Grablege, wie die 1965 ausgehobene, aus vier Sandsteinwerkstücken zusammengesetzte Umrahmung eines hochmittelalterlichen Sarkophags mit einer rundlichen Vertiefung für das beigesetzte Haupt des etwa 1,75 m großen Verstorbenen belegt.[24][34]

 

Epitaph des ersten evangelischen Abtes Andreas Steinhauer (1555-1588)

Im südlichen Seitenschiff des Langhauses befindet sich die lebensgroß reliefierte Grabplatte des letzten altgläubigen (katholischen) und ersten evangelisch-lutherischen Abtes Andreas Steinhover (Steinhauer, 1512-1588), der in England das Licht der Welt erblickt hatte.

  • Abt vom 29. November 1555 bis zum 27. Mai 1588

 

Epitaph des 1588 verstorbenen Abtes Andreas Steinhauer

im südlichen Seitenschiff

zeitgenössisches Gelehrtengewand, die Bibel in der Hand haltend

[29]

Umschrift:

Anno Domini 1588 die 31. Julii placide obiit reverendus pater et doctissimus vir dom. Andreas Steinhower Anglus, qui abbatis officio in hoc monasterio laudabiliter annos 33 functus est, cuius corpus hic in pace requiescit. Amen.

Breite Schrifttafel mit Rollwerkrahmen und den Versen:

Anglia dat nobis, Roma Luthere relicta

Urbem dum repetis Leucoream (= Wittenberg), huncce virum,

Reginam Anglorum Hispanus qua classe fatigat

Quaque draco hanc pellit, sternit amara dies.

Is, quia pontificis Romani dogmate pulso

Accessit Christi vocibus, astra terit.

 

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Gruftplatte des 1588 verstorbenen Abtes "Andreae Steinhow(er)"

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Eine schlichte, vormals im Fußboden eingelassene Gruftplatte des Klosterreformators Abt Andreas Steinhauer (Andreae Steinhower) mit ausgetretener Schrift befindet sich im Chorbereich.

Abt Steinhauer trat 1568 zum evangelischen Glauben über; er heiratete eine Bürgertochter aus Stadtoldendorf.

 

Grabplatte des Klosteramtmanns Barnstorff

Als kunstgeschchtlich besonders wertvoll gilt die barocke Sandstein-Grabplatte für den am 10. November 1715 verstorbenen Klosteramtmann Cornad Herman Barnstorff (1661-1715).

 

Grabplatte des 1715 verstorbenen Klosteramtmanns Barnstorff

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

GÖHMANN [15] führt hierzu aus, dass die Mitte der Sandstein-Grabplatte von einem längeren Inschriftentext im Lorbeerkranz ausgefüllt ist.

Darüber schweben zwei Putten, die ein Wappenschild halten.

Ein dritter Putto hält unten, auf einem Totenschädel gestützt, die Sanduhr, das Symbol der verrinnenden Zeit als Mahnung für die Lebenden.“

 

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⦋4⦌ RÖCKENER 1998, S. 6-20.

⦋5⦌ RÖCKENER 1998, S. 16-18.

⦋9⦌ GÖHMANN 1991, S. 56 Anm. 32.

[15] GÖHMANN 1982, S. 86.

[18] DRÖMANN/GÖHMANN 2008, S. 22.

[24] HEUTGER 1968, S. 34.

[27] MARX/OSTERMANN 2021, S. 42-43.

[29] Abb, (korr.) u. Legende aus OSTERMANN/SCHRADER 1985; S. 12.

[33] OSTERMANN/SCHRADER 1985, S. 102.

[34] OSTERMANN/SCHRADER 1985, S. 104.