Wilhelm Schattenberg (1873–1956)

Klaus A.E. Weber

Leitender Medizinaldirektor / Amtsarzt a. D.

 

Schuhmacher und Trichinenschauer in Merxhausen

Der Schuhmacher Heinrich Wilhelm Eduard Schattenberg (1873–1956) aus Merxhausen war nebenberuflich im Schaubezirk Merxhausen als Fleischbeschauer und Trichinenschauer eingesetzt.[1]

Um 1900 nebenberuflich als amtlicher Fleischbeschauer und Trichinenschauer im Schaubezirk Merxhausen tätig, weisen dessen Fleischbeschauunterlagen 1903–1946 - neun „Tagebücher für Beschauer“ – einen Tuberkulose-Nachweis als die häufigste Beanstandung aus; jedoch keinen Trichinennachweis. Befundabhängig wurden beanstandete Schlachttiere entweder verbrannt oder vergraben.

In der Regel auf Gemeindeebene waren von der Landespolizeibehörde für die Untersuchungen nach Anhörung der Gemeindebehörde [2] Trichinenschaubezirke zu bilden.

Für jeden Schaubezirk war mindestens ein „eidlich verpflichteter“ Trichinenschauer und ein Stellvertreter vorzusehen, mit widerruflicher Bestellung und Präsenzpflicht im zugeordneten Schaubezirk.

Legte ein Bewerber nach erfolgter kostenpflichtiger Ausbildung seine Prüfung vor dem Kreistierarzt erfolgreich ab, so erfolgten unter bestimmten Voraussetzungen seine amtliche Bestellung durch die Landespolizeibehörde und die Zuordnung zu einer Trichinenschauerstelle in einem Schaubezirk.

So bestanden Trichinenschauerstellen auch in den Schaubezirken Heinade, Merxhausen und Hellental.

Als nicht tierärztlich approbierte „Laien-Trichinenschauer“ wurden sie von der Landespolizeibehörde beaufsichtigt und unterstanden der dauernden Kontrolle und dreijährigen Nachprüfung durch den herzoglichen Kreistierarzt.

Wilhelm Schattenberg im Schaubezirk Merxhausen wurde in den Jahren um 1900 vom Kreistierarzt Dr. Fischer beaufsichtigt.

Die amtliche Trichinenschau sollte in der Regel nicht später als sechs Stunden nach der ordnungsgemäßen Anmeldung erfolgen.

Wenn ein Laien-Trichinenschauer - wie Wilhelm Schattenberg - hierbei trichinöses Fleisch feststellte oder vermutete, so war er zwar verpflichtet, sich für unzuständig zu erklären, da nur dem approbierten tierärztlichen Fleischbeschauer die wirkliche Entscheidung darüber zustand, gleichwohl hatte er aber das Schlachttier vorläufig zu beschlagnahmen, zu kennzeichnen und der Ortspolizeibehörde Anzeige zu erstatten.

Nach erfolgter amtlicher Trichinenschau mit trichinenfreiem Untersuchungsbefund war vom Trichinenschauer Wilhelm Schattenberg das Fleisch für genusstauglich zu erklären und mit einem rechteckigen Farb- oder Brandstempel (Aufschrift: „Trichinenfrei“, Schaubezirksname) zu kennzeichnen.

Andernfalls galt das Fleisch "als untauglich zum Genusse für Menschen", erhielt den „Fleischbeschau-Untauglichkeitsstempel“ und war der Behandlung nach dem Reichsfleischgesetz zu unterziehen.

Da die Trichinenschau eine öffentliche Aufgabe war, fielen die durch sie entstandenen Kosten jeweils den Gemeinden zur Last.

Zur Kostendeckung konnten von den Gemeinden Beschaugebühren erhoben werden, deren Festsetzung sich nach den von der Kreisdirektion oder von der betreffenden Gemeinde im Ortsstatut erlassenen Gebührentarifen richtete.

Um 1906 betrug beispielsweise für ein Hausschwein die amtliche Gebühr für die Fleischbeschau und Trichinenschau zusammen 0,80 Mark, die Trichinenschau bei einem gewerblich geschlachteten Hund 0,50 Mark.

Wilhelm Schattenberg war als bestellter Trichinenschauer verpflichtet, die Ergebnisse seiner Trichinenuntersuchung in einem zu führenden „Tagebuch“ nach einem verordneten Muster zu dokumentieren.

Wie aus den von Wilhelm Schattenberg 1903 bis 1912 geführten „Tagebüchern für Beschauer“ hervorgeht, führte er während dieses Zeitraumes im Schaubezirk Merxhausen jahresdurchschnittlich bei 188 Schlachttieren die Fleischbeschau und damit auch die Trichinenschau durch.

In den erhalten gebliebenen Beschauer-Tagebüchern (1903-1946) finden sich keine Beanstandungen wegen eines Trichinen-Nachweises.

Zur Ausführung einer amtlichen Trichinenuntersuchung waren verschiedene Geräte und Hilfsinstrumente vorgeschrieben, die allesamt, einschließlich der Drucksachen und Farbstempel, von der Gemeinde zu beschaffen und zu finanzieren waren.

Auch für Wilhelm Schattenberg waren obligatorisch ein

  • vom herzoglichen Kreistierarzt geprüftes und für geeignet befundenes Lichtmikroskop, das eine 30- bis 40-fache sowie eine etwa 100-fache Vergrößerung ermöglichte,

  • des Weiteren als Objektträger zwei „Kompressorien“ aus zwei durch Schrauben gegeneinander zusammendrückbaren Glasplatten, eingeteilt in 24 gleiche Felder,

  • sowie eine „kleine krumme Schere“ zum Anfertigen der Schaupräparate,

  • zwei Präpariernadeln,

  • eine Pinzette und

  • ein Messer zum Ausschneiden der Fleischproben.

Darüber hinaus sollten nummerierte kleine Blechbüchsen zur Probenaufnahme, eine Tropfpipette und je ein Gläschen mit Essigsäure und Kalilauge zur Verfügung stehen.

Vom Trichinenschauer Wilhelm Schattenberg waren persönlich bei dem Schlachttier (Schwein) bohnen- bis walnussgroße Fleischproben aus vier verschiedenen Körperstellen zu entnehmen:

„Zwerchfellpfeiler (Nierenzapfen), Rippenteile des Zwerchfells (Kronfleisch), Kehlkopf- und Zungenmuskeln“, alternativ Bauchmuskeln.

Zur mikroskopischen Untersuchung waren aus diesen Probestücken jeweils sechs haferkorngroße Stückchen vorzubereiten, um gleichmäßige Quetschpräparate mittels "Kompressorien" anzufertigen.

Hiernach war jedes Präparat langsam und sorgfältig durchzumustern und die Untersuchungsergebnisse der Fleischproben zu dokumentieren.

Das um 1900 vom Fleischbeschauer und Trichinenschauer Wilhelm Schattenberg verwendete „Reise-Trichinen-Mikroskop“ [3] weist auf der Innenseite des mit blauer Stempelfarbe befleckten oberen Kastendeckels Inschriften auf, aus denen hervorgeht, dass das Mikroskop von H. Schulze in Stadtoldendorf bezogen und am 05. November 1899 vom Kreistierarzt Dr. Fischer der Herzoglichen Kreisdirektion Holzminden für „gut“ befunden und damit zugelassen wurde.

 

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[1] Von dessen Enkelsohn Günter Schattenberg (Heinade-Merxhausen) wurden Fleischbeschauunterlagen („Tagebücher für Beschauer“, 1903–1946) und das Mikroskop der Sammlung des Heimat- und Geschichtsvereins für Heinade-Hellental-Merxhausen e.V. übereignet.

[2] Gemeinderat.

[3] 17,5 cm hohes Lichtmikroskop mit kleinem Objekttisch (Heimat- und Geschichtsverein für Heinade-Hellental-Merxhausen e.V. │ Standort im Historischen Museum Hellental.