„Tartouflen-Bau“ unter Herzog Carl I.
Klaus A.E. Weber
© Historisches Museum Hellental, Foto: Mechthild Ziemer
Bauerntrüffeln
Viele regionale Namen des wertvollen Grundnahrungsmittels Kartoffel (Solanum tuberosum) leiten sich vom italienischen Wort für Trüffel, tartufolo, ab:
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Bauerntrüffel
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Erdäpfel
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Potaten
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Kartoffeln
die beispielsweise viel Vitamin C und hochwertige pflanzliche Proteine enthalten.
Die Unbekannte aus den Anden
Der lange Weg der Kartoffel von der renaissancezeitlichen Zierpflanze zum Energielieferanten.
Zunächst begann vor etwa 500 Jahren die Karriere dieses Gewächses in Europa als Zierpflanze - und fristete schließlich lange das Leben als Sättigungsbeilage, die weiterkultiviert oder eingelagert wurde.
Vor drei Jahrhunderten bescherte die Kartoffel sogar einigen Zeitgenossen grässliche Magenschmerzen.[11]
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Herzogliche Verordnung von Carl I.
Förderung des Kartoffelanbaus
15. Oktober 1756 [5][6][7]
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Ein "vorzügliches Nahrungsmittel und tägliche Speise des Bürgers und Ackermannes"[1]
Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts entwickelte sich schließlich die Kartoffel zum "Hauptgegenstand der Landwirthschaft", so auch im Weserbergland.[1][13]
Der "Tartouflen-Bau" war für die Ernährungssicherung gerade der ländlichen Bevölkerung im Herzogtum Braunschweig-Lüneburg von besonderer und weitreichender Bedeutung.
Wie GEBHARDT [10] hierzu ausführt, gestaltete sich auch in Südniedersachsen die Verbreitung der Kartoffel seit etwa 1750 wie in den hundert Folgejahren eher schwierig:
"Die hauptsächlich bäuerliche Bevölkerung musste in erster Linie überzeugt werden, dass sie durch ein vergrößertes Nahrungsangebot mit zudem höherem Energiegehalt Vorteile gewinnen würde.
Aufklärungsarbeit war auch für die Pflanzmethode und Zubereitung der Kartoffel zu leisten."
Kulturgeschichtlich geht die staatliche Einführung des Kartoffelanbaus im Herzogtum Braunschweig-Lüneburg auf die Initiative und herzogliche Verordnung von Carl I. (1713-1780) zur Förderung des Kartoffelanbaus vom 15. Oktober 1756 zurück, im Zusammenwirken mit seinem Oberjägermeister Johann Georg v. Langen.[5][6][7]
Bei den braunschweigischen Harzorten Braunlage und Wieda begann der Kartoffelanbau, wo Anbauversuche in Mischkulturen mit Fichten angelegt wurden - allerdings nicht mit dem Ziel Kartoffeln als Nahrungsmittel zu erzeugen, sondern vielmehr zum Brennen von Kartoffelschnaps.[10]
Die ab 1748 von Johann Georg v. Langen betriebenen Anbauversuche misslangen aber wegen der ungeeigneten Bodenverhältnisse.
Kornmangel 1756-1758
... und die "in einer Land=Haushaltung so nützliche Kartoffel"
Herzog Carl I. hatte bereits 1746 festgestellt, "daß die Bauersleute den Anbau von Küchengewächsen in den Gärten an vielen Orten, insbesondere denen, so von den Städten entfernt sind, sehr vernachlässigen und zu ihrem eigenen Schaden sich nicht bemühen, Garten- und Vietsbohnen, Braunen Kohl, Salade und dergl. zu bauen".[2][8][14]
In den Jahren 1756-1758 war es im Weserdistrikt zu einem erheblichen Kornmangel gekommen - zu Beginn des Siebenjährigen Krieges (1756-1763).
Der Getreidehandel hatte sich zu einem "recht kapitalistischen Handel" mit spekulativem Markt entwickelt.[12]
Um den Korn- und Mehlverbrauch rsp. das Brotgetreide angesichts des Nahrungsmittelmangels und der Teuerung einzusparen, gab Herzog Carl I. mit seiner Verordnung zur Förderung des bis dahin unbekannten Kartoffelanbaus vom 15. Oktober 1756 die Anweisung, darüber zu halten, dass die Untertanen den Anbau der Gartenfrüchte „besonders der in einer Land=Haushaltung so nützlichen Kartoffeln sich allen Fleisses angelegen seyn lassen“.[7][8]
Falls erforderlich, sollten auch größere Gärten für die Dorfbewohner*innen zur Verfügung gestellt werden.
Am 29. Januar 1754 hatte bereits die hannoversche Regierung "zur Verbesserung der Nahrung der Untertanen" einen Erlass zur "Anziehung der Erd=Aepfel oder Ertuffeln" herausgegeben.[10]
Kartoffelanbau in Merxhhausen 1764
Wie von TACKE [3] überliefert ist, wurden erst 1764 bei Merxhausen erstmals Kartoffeln, vermutlich in Gärten, angebaut - also ein Jahr nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges.
Nach RAULS [8] wurde bereits 1755 die Kartoffel in Braak angetroffen.
Wie KRETSCHMER [9] ausführte, habe das Holzmindener Wochenblatt 1787 gemeldet, dass der Kartoffelanbau "nun mit Erfolg feldmäßig erfolge und diese Frucht 'die tägliche Speise des Bürgers und Ackermanns' darstelle".
Um 1883 waren im Kreis Holzminden die Acker- und Gartenflächen je 1.000 ha bestellt mit 79 ha Kartoffeln bestellt.[4]
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[1] nach dem „Holzmindener Wochenblatt“ von 1787 [zit. in Rauls 1983, S. 127].
[2] zit. nach RAULS 1983, S. 127.
[3] TACKE 1943, S. 41.
[4] KNOLL/BODE 1891, S. 116.
[5] KRUEGER 2013, S. 67.
[6] Fotografie: Ausstellung "Arbeit, Holz und Porzellan. Herzog Carl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel und die Wirtschaftspolitik im 18. Jahrhundert. Der Weserdistrict." - 23. März bis 06. Oktober 2013.
[7] Staatsarchiv Wolfenbüttel, 40 Slg 8143 Bl. 2.
[8] RAULS 1983, S. 127.
[9] KRETSCHMER 1981, S. 197.
[10] GEBHARDT 2021, S. 14-17.
[11] Blog-Artikel des Schweizerischen Nationalmuseums vom 04. Juni 2021 von Benedikt Meyer, Historiker und Autor.
[12] ALBRECHT 2020, S. 7-10.
[13] MUSEUMSVERBUND SÜDNIEDERSACHSEN 1991, S. 33-44.
[14] RAULS 1974, S. 121.