Cichorien-Caffee, Muckefuck & Co.

Klaus A.E. Weber

 

Zichorien-Vorratsbehälter

© Historisches Museum Hellental, Foto: Klaus A.E. Weber

 

In der Literatur und warenkundlich wird u.a. unterschieden zwischen [4]

  • Kaffee-Ersatz

  • Kaffeezusatz ("Kaffeegewürze")

  • Malzkaffee

  • Getreidekaffee (Gerste, Roggen (Korn), Weizen)

  • Zichorienkaffee

  • Feigenkaffee

  • Muckefuck (Mocca-Faux)

 

Kaffee-Ersatz

In den 1950er-Jahren musste auf das beliebteste Heißgetränk „Echter Bohnenkaffee“ verzichtet werden, denn Kaffeebohnen waren Mangelware.[1]

Stattdessen nutzte man Alternativen.

 

Gewöhnliche Wegwarte (Cichorium intybus)

© Historisches Museum Hellental, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Die Zichorie (Cichorium intybus)

Die mehrblättrige, blau blühende Gemeine oder Gewöhnliche Wegwarte, die Zichorie, ist eine in Europa und Asien vorkommende Wildpflanze, die auf Weiden, Ödland und an Straßen- oder Wegrändern gedeiht .

Im Jahr 2020 ist die Gemeine Wegwarte „Heilpflanze des Jahres“.

Das Korbblütengewächs bildet eine lange, mehrköpfige Pfahlwurzel aus.

Der Milchsaft der verdickten Wurzeln enthält verschiedene Bitterstoffe, wie in erster Linie Sesquiterpenlactone Lactucin und Lactucopikrin.

Als weitere Inhaltsstoffe gelten:

Aesculetin, Aesculin, Cichoriin, Umbelliferon, Scopoletin, 6,7-Dihydroxycumarin, weitere Sesquiterpenlactone und deren Glykoside.

Auch speichern die Wurzeln als Reservekohlenhydrat Inulin.

Die Zichorie ist seit der Antike als Heilpflanze bekannt.

In der Volksmedizin wurde das Heilkraut als kräftigendes, verdauungsförderndes und die Nierentätigkeit anregendes Mittel eingesetzt.[3], aber auch für Blätterumschläge bei Schwellungen und Entzündungen, zudem glaubte man an ihre Wirkung als Gegengift bei Leberbeschwerden.

Seit dem 17. Jahrhundert wird aus den gerösteten Wurzeln "Zichorie" hergestellt.

Zichorienmühlen zur Herstellung von Kaffee-Ersatz aus Zichorienwurzeln waren für das Emsland typisch.

 

Cichorien-Vorratsbehälter

Zichorienmühle in PotsdamMühlenturm mit Wohnhaus

© Historisches Museum Hellental, Foto: Klaus A.E. Weber

 

„Braunschweigischer“ und „Preußischer Cichorien-Caffee“

Ab Mitte des 18. Jahrhunderts gab es mit der Zichorie zudem einen Kaffee-Ersatzstoff, der mit Getreide gemischt und geröstet wurde.

Hierfür wurden Zichorien-Wurzeln ("Wurzelzichorie")

  • im September oder Oktober ausgegraben

  • gereinigt

  • geschält

  • in Stücke geschnitten

  • an einem luftigen Platz getrocknet

  • gedarrt

Unter ständigem Wenden in einer Pfanne ohne Fett wurden die trockenen Wurzelstücke geröstet bis sie sich bräunlich verfärbten.

Nachdem ihrer Abkühlung können sie in einer Kaffeemühle zu Pulver zermahlen und als Ersatzkaffee verwendet werden.

Gefördert wurde der Anbau der Wurzelzichorie auch durch den preußischen König Friedrich II. (1712-1786).

Fortan wurde in Damenkreisen „Braunschweigischer“ und „Preußischer Cichorien-Caffee“ getrunken.

In seinem Aufsatz "Zichorienkaffee - eine Holzmindener Erfindung? geht SEELIGER [3] historisch-kritisch der Frage nach der Herstellung des Zichorienkaffees und deren örtlichen Verbindung mit der Stadt Holzminden im 18. Jahrhundert nach.

 

Cichorien-Vorratsbehälter aus Porzellan

Zichorienblüte

© Historisches Museum Hellental, Fotos: Klaus A.E. Weber

 

EGGER beschreibt 1950 lebensmittelchemisch [5], der Zichorien-Kaffee (kurz Zichorie) sei ein Erzeugnis,

  • welches "aus den gereinigten Wurzeln der Zichorie (Cichorium intybus) auch unter Zusatz von Zuckerrüben, geringen Mengen Speisefett, Speiseöl, Speisesalz, Alkalikarbonaten durch Rösten und Zerkleinern mit oder ohne nachherige Behandlung mit Wasserdampf oder Wasser hergestellt" würde.
  • Der Wassergehalt betrage bis 30 % und der Zuckerrübenzusatz sei auf 25 % beschränkt.

 

Muckefuck

Als sich Lebens- und Genussmittel im Ersten Weltkrieg (1914-1918) und Zweiten Weltkrieg (1939-1945) verknappten, brühte man den Zichorien-Kaffee - auch Muckefuck genannt.

Wahrscheinlich geht die Bezeichnung auf das Eindeutschen des französischen Begriffs „mocca faux“ = „falscher Mokka/Kaffee“ zurück.

 

Coffeinfreier Getreidekaffee - mit Zichorien-Anteil

Ein coffeinfreier Getreidekaffee besteht als "Landkaffee" aus

  • Malz

  • Gerste

  • Roggen

  • mit Zichorien-Anteil.

Mit heißem Wasser überbrüht, war das lösliche Kaffee-Surrogat nach dem Ziehenlassen und Abgießen sofort trinkfertig verfügbar.

 

LINDE’S® – Aufbrühbarer Kornkaffee mit Zichorie

Der original Linde’s Kornkaffee besteht zu 100 % aus natürlichen Zutaten - wie Zichorie (17,4%), Malz, Roggen und Gerste (30,6 %).

 

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[1] Freilichtmuseum am Kiekeberg.

[3] FISCHER-DÜCKELMANN 1926, S. 80, 911 Tafel 30 Heilpflanzen III Nr. 5.

[4] EGGER 1950, S. 281-286.

[5] EGGER 1950, S. 283.

[7] SEELIGER 2020.